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Praxisfälle
Verantwortung für das unternehmerische Handeln wahrnehmen: Corporate Social Responsibility im Kontext des Arbeitsrechts

Worum geht es bei CSR?
Soziale Verantwortung: Fördern des Wohlergehens der Mitarbeitenden, faire Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz und soziales Engagement.
Ökologische Verantwortung: Umweltschutz, Massnahmen zur Reduktion der Umweltauswirkungen eines Unternehmens, beispielsweise durch den Einsatz erneuerbarer Energien und die Minimierung des Abfallaufkommens («papierloses» Büro).
Wirtschaftliche Verantwortung: Profitabilität auf eine verantwortungsvolle und ethische Weise, Transparenz, fairer Wettbewerb, Korruptionsprävention.
Verantwortung gegenüber «Stakeholdern»: Berücksichtigung der Interessen von Konsumentinnen und Konsumenten, Lieferanten und der Gemeinschaft, Aufbau von langfristigen Partnerschaften.
Harmonisierung auf internationaler Ebene
Ganz freiwillig ist die Beachtung der CSR für die Unternehmen allerdings nicht. Der Bund erwartet von den in der Schweiz ansässigen oder tätigen Unternehmen, dass sie ihre Verantwortung gemäss den international anerkannten CSR-Standards und -Leitlinien bei ihrer gesamten Tätigkeit im In- und Ausland wahrnehmen.
Einschlägig sind die von der OECD verabschiedeten und im Jahr 2023 aktualisierten Leitsätze für multinationale Unternehmen zu verantwortungsvollem unternehmerischem Handeln. Diese sind rechtlich nicht verbindlich, die Umsetzung wird aber von sog. Nationalen Kontaktpunkten (NKP) der Unterzeichnerstaaten gefördert, und vermeintliche Verstösse können den NKP gemeldet werden. Die NKP bieten eine Dialogplattform oder ein Mediationsverfahren an.
Exkurs: CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive der EU) und die Schweiz
In der EU wurden die Berichterstattungspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit zwischenzeitlich verschärft, nachdem im Dezember 2022 die «Corporate Sustainability Reporting Directive» (Richtlinie 2022/2464/EU CSRD) angenommen wurde. Die Berichterstattungspflicht gilt für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden bereits heute, und bis 2028 wird der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen stufenweise erhöht.
Die Schweiz kennt derzeit eine Berichterstattungspflicht im Rahmen der Art. 964a–964i OR für Gesellschaften des öffentlichen Interesses und Rohstoffunternehmen sowie die Durchführung einer Lohngleichheitsanalyse im Rahmen der Art. 13a–13i Gleichstellungsgesetz (GlG). Die EU-Richtlinie erfasst mehr Unternehmen als die Schweizer Gesetzgebung und geht auch inhaltlich weiter. Im Rahmen der hier interessierenden Berichterstattung zur eigenen Belegschaft sind beispielsweise nicht nur das Geschlechterverhältnis im obersten Kader und der geschlechterspezifische Lohnunterschied in der gesamten Belegschaft zu rapportieren, sondern unter anderem auch folgende Informationen: Altersstruktur der Belegschaft, Anteil von Arbeitnehmenden mit Behinderung, Schulung und Förderung der Mitarbeitenden, Möglichkeit, Zeit mit der Familie zu verbringen, Lohnunterschied zwischen dem höchsten Lohn und dem Durchschnittslohn etc.
Derzeit prüft die Schweiz den vollständigen oder zumindest teilweisen Nachvollzug der CSRD. Bis Mitte Oktober 2024 laufen die Vernehmlassungen des Bundesrats.
Bedeutung für das Arbeitsrecht in der Schweiz
Im Kontext des Arbeitsrechts sind sowohl bei den OECD-Leitlinien als auch bei der CSRD folgende Themen wesentlich:
- Arbeitsplatzsicherheit
- Arbeits- und Ruhezeiten
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie
- Angemessene Vergütung
- Gleichberechtigung, Chancengleichheit (Gender Pay Gap)
- Sozialer Dialog
- Mitbestimmung der Mitarbeitenden
- Vereinigungsfreiheit und Recht auf Tarifverhandlungen
- Gesundheitsschutz
- Lohngleichheit und Diversität
Das Schweizer Arbeitsrecht enthält bereits eine Vielzahl an Vorschriften, welche die vorgenannten Kernanliegen abdecken: vom Kündigungsschutz und dem Verbot der Geschlechterdiskriminierung über Mitspracherechte der Belegschaft bis hin zu Vorschriften zu Ferien, Persönlichkeitsschutz am Arbeitsplatz oder Arbeits- und Ruhezeiten, um nur ein paar wesentliche zu nennen. Freilich gibt es weiterhin legislatorischen Handlungsbedarf; beispielsweise fehlt eine griffige gesetzliche Regelung zum Schutz von «Whistleblowern».
Soweit die hinter dem Konzept «CSR» stehenden Anliegen nicht Eingang finden in den Arbeitsvertrag, bietet es sich an, diese im Rahmen eines «Ethikkodex» verbindlich festzuhalten.
Kaum gesetzlich reguliert ist das Anliegen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, welche mit der Erosion der klassischen Rollenverteilung stark in den Vordergrund gerückt ist. Insbesondere für die arbeitnehmende Bevölkerung im Alter zwischen 31 und 49 Jahren ist dies ein ausschlaggebendes Kriterium für die Auswahl der Arbeitgeberin. Folgende diesbezügliche Massnahmen haben – teilweise beschleunigt durch die Erfahrungen während der Coronapandemie – zwischenzeitlich nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Sektor stark an Bedeutung gewonnen:
- Flexible Arbeitszeitmodelle (Teilzeit, mehr Zeitautonomie)
- Jobsharing
- Homeoffice
- fünf oder gar sechs Wochen Ferien pro Jahr
Insbesondere – aber nicht nur – junge «Start-up»-Unternehmen tendieren dazu, über diese bereits weit etablierten Flexibilisierungsoptionen hinaus zusätzlich eine als fortschrittlich empfundene und für Mitarbeitende attraktive Unternehmenskultur zu etablieren, beispielsweise durch die Einräumung von:
- Zusätzlichen Mutterschafts- und Vaterschaftstagen
- «Sabbaticals» als Treueprämie
- Erhöhter Flexibilität betreffend Arbeitsort und Arbeitszeitgestaltung
- Gesundheitsprogrammen für Mitarbeitende (z.B. Yoga über den Mittag)
- Betrieblich organisierter Kinderbetreuung
- etc.
Vorteile von CSR für Unternehmen
Eine zunehmende Zahl von Mitarbeitenden achtet vermehrt darauf, für welche Werte ein Unternehmen steht. Eine verantwortungsbewusste Verhaltensweise kann sich somit motivierend auf die Belegschaft auswirken, einen Wettbewerbsvorteil bei der Rekrutierung von Talenten schaffen und sich positiv auf deren Produktivität und Loyalität auswirken. Aber auch die Aussenwirkung eines wertegetragenen Unternehmens auf Konsumenten und Geschäftspartner kann betriebswirtschaftlich von grosser Bedeutung sein und zudem einen entscheidenden Vorteil bei der Vergabe öffentlicher Aufträge verschaffen.
Kritische Stimmen
CSR-Programme sind kostspielig und nicht immer im Sinne der Aktionäre. Unternehmen stehen oft unter Druck, ihre Gewinne zu maximieren, was teilweise zur Vernachlässigung von ethischen Standards führt. Es gibt deshalb auch kritische Stimmen. Während die einen argumentieren, dass staatliche Gesetze und Vorschriften notwendig sind, um soziale und ökologische Probleme effektiv anzugehen, sind andere der Meinung, dass standardisierte Verhaltensvorschriften ein Stück weit von der Verantwortung entbinden, im konkreten Fall eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen. Wieder andere sehen im Konzept CSR ein reines Marketinginstrument ohne effektiven Nutzen für die dahinterstehenden Anliegen.
Fazit
Mit der Einführung internationaler und nationaler Vorschriften zum Thema CSR wird zweifelsfrei das Bewusstsein für eine verantwortungsvolle Unternehmenskultur gefördert. Langfristig dürfte dies den beabsichtigten positiven Einfluss auf Gesellschaft und Umwelt haben. Wird CSR lediglich als Marketinginstrument gebraucht, wirkt das bald unglaubwürdig, und insbesondere Mitarbeitende lassen sich nicht täuschen.
Positive Effekte von CSR
- Einsparungen beim Energie- und Rohstoffverbrauch
- Wettbewerbsfähigkeit bei Arbeitnehmenden und Kunden
- Motivation und Integrität der Belegschaft
- Positive Reputation
- Verringerung von krankheits- und unfallbedingten Abwesenheiten
- Marktvorteil bei öffentlichen Ausschreibungen
- Bessere Kreditbedingungen
- Fachkräftemangel mit älteren Arbeitnehmern begegnen
- Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen durch globale Nachhaltigkeit
- Förderung Innovation
(Dieser Praxisfall ist in der Ausgabe November 2024 von personalSCHWEIZ erschienen)
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