Praxisfälle

Vaterschaftsurlaub: Überblick über die neuen Regeln

Am 27. September2020 hat sich das Schweizer Stimmvolk mit klarer Mehrheit für die Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs ausgesprochen. Diese Neuregelung tritt auf den 1. Januar 2021 in Kraft und führt zu gewissen Anpassungen im Obligationenrecht (OR) und des Erwerbsersatzgesetzes (EOG). Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die neuen Bestimmungen.

Von: Leena Kriegers-Tejura   Teilen  

lic.iur. Leena Kriegers-Tejura

Leena Kriegers-Tejura ist selbstständige Rechtsanwältin und Partnerin bei Bürgi & Kriegers-Tejura Legal in Zürich. Sie ist Fachanwältin SAV Arbeitsrecht und Dozentin/Expertin bei Fachhochschulen, Höheren Fachschulen und Erwachsenenbildungsinstituten. Auf Anfrage führt sie auch betriebsinterne Schulungen zu arbeitsrechtlichen Themen durch.

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Vaterschaftsurlaub

Wie war der Vaterschaftsurlaub bisher geregelt?
Das OR sah keine Regelung für den Vaterschaftsurlaub vor. Einen Anspruch für werdende Väter wurde bisher aus Art. 329 Abs. 3 OR hergeleitet (ausserordentliche Freizeit). Danach stehen dem Arbeitnehmer die üblichen freien Stunden und Tage zu, um dringende, persönliche Angelegenheiten zu erledigen. Diese Bestimmung regelt nur den Anspruch auf die freie Zeit und äussert sich nicht über die Bezahlung dieser freien Zeit. Ob der «Vaterschaftsurlaub» bezahlt war oder nicht, hing von der Regelung mit dem Arbeitgeber bzw. von allenfalls anwendbaren Gesamtarbeitsverträgen ab. Letztere sahen verschiedentlich Regeln über den Vaterschaftsurlaub vor, so beispielsweise der Gesamtarbeitsvertrag im Gastgewerbe. Dieser gewährte bislang bereits fünf bezahlte arbeitsfreie Tage als Vaterschaftsurlaub. Zu beachten ist, dass die Unternehmen nun den Vaterschaftsurlaub von Gesetzes wegen umsetzen müssen. Betriebliche Regelungen (z.B. im Arbeitsvertrag oder in einem Personalreglement) oder gesamtarbeitsvertragliche Regelungen, die schlechter sind, werden durch die neue gesetzliche Lösung ersetzt.

Neue OR-Vorschrift zum Vaterschaftsurlaub
Der neue Artikel 329g OR zum Vaterschaftsurlaub lautet wie folgt:

  1. Der Arbeitnehmer, der im Zeitpunkt der Geburt eines Kindes dessen rechtlicher Vater ist oder dies innerhalb der folgenden sechs Monate wird, hat Anspruch auf einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen.
  2. Der Vaterschaftsurlaub muss innert sechs Monaten nach der Geburt des Kindes bezogen werden.
  3. Er kann wochen- oder tageweise bezogen werden.»

Der Arbeitnehmer muss beweisen, dass er der Vater des Kindes ist. Wenn er mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, wird dies vermutet. Denkbar ist auch, dass der Vater das Kind anerkennt, oder die Vaterschaft mittels Urteil festgestellt wurde. Ob der Vaterschaftsurlaub bezahlt ist, ist eine andere Frage und richtet sich nach den Bestimmungen des EOG. Denkbar ist, dass ein Arbeitnehmer zwar Anspruch auf freie Tage für den Vaterschaftsurlaub hat, diese jedoch aufgrund des EOG nicht entschädigt werden. Dies tritt zu, wenn die Voraussetzungen von Art. 16i EOG nicht erfüllt sind.

Art. 329g OR ist eine Bestimmung, welche nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgeändert werden kann, gehört daher zu den teilzwingenden Regelungen des OR (vgl. Art. 362 OR). Betriebe können eine bessere Regelung vorsehen, nicht aber eine, die schlechter als die von Gesetz vorgesehene Lösung des Vaterschaftsurlaubs.

Was den Zeitpunkt des Vaterschaftsurlaubs betrifft, müssen sich der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber einigen. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber – wie bei den Ferien – das Recht den Zeitpunkt zu bestimmen. Es ist jedoch auf die Bedürfnisse des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, soweit dies mit dem Interesse des Betriebs vereinbar ist. Da die Rahmenfrist lediglich sechs Monate dauert, dürften den Interessen des Arbeitnehmers grosses Gewicht beigemessen werden.

Verlängerung der Kündigungsfrist bei Vaterschaftsurlaub
Art. 335c Abs. 3 OR sieht vor, dass im Falle einer Kündigung durch den Arbeitgeber und wenn vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses noch ein Anspruch auf Vaterschaftsurlaub besteht, die Kündigungsfrist um die noch nicht bezogenen Urlaubstrage verlängert wird. Auch diese Regelung ist teilzwingend und kann nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgeändert werden.

Art. 335c OR bezieht sich auf Arbeitsverhältnisse nach Ablauf der Probezeit. Bei einer Kündigung während der Probezeit ist diese Regelung nicht anwendbar. Allerdings kommt diese Verlängerung nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber kündigt, nicht aber wenn die Kündigung seitens des Arbeitnehmers ausgesprochen wurde. Damit sich die Kündigungsfrist verlängert, muss der Arbeitnehmer ausserdem vor Ende des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf den Vaterschaftsurlaub gemäss Art. 329g OR haben.

Wesentlich ist ausserdem, dass eine Kündigung während des Vaterschaftsurlaubs gültig ist. Anders ist die Rechtslage bei einer Kündigung während des Mutterschaftsurlaubs: Eine Kündigung während des Mutterschaftsurlaubs ist nichtig, da dies eine Sperrfrist gemäss Art. 336c OR darstellt. Der zeitliche Kündigungsschutz kommt beim Vaterschaftsurlaub nicht zur Anwendung!

Eine andere Frage ist, ob sich das Arbeitsverhältnis auf das Ende einer Woche bzw. eines Monats verlängert, wenn die Verlängerung bewirkt, dass sich das Enddatum nicht mit dem Wochen- bzw. Monatsende decken (vgl. Art. 336c Abs. 3 OR). Dies ist nicht klar; Tendenz ist wohl eher, dass es keine Verlängerung auf jeweils das Ende einer Woche oder eines Monats geben wird, mit der Begründung, dass die neue Bestimmung nicht explizit auf Art. 336c Abs. 3 OR verweist.

Keine Ferienkürzung wegen Vaterschaftsurlaub möglich
Auch im Artikel zur Ferienkürzung erfährt das OR eine Anpassung. Art. 329b OR sieht vor, dass der Arbeitgeber den Ferienanspruch des Arbeitnehmers kürzen kann. Es wird dabei unterschieden, ob die Abwesenheit verschuldeter oder unverschuldeterweise vorliegt. Bei verschuldeter Verhinderung an der Arbeitsleistung kann der Arbeitgeber den Ferienanspruch des Arbeitnehmers kürzen, sobald dieser einen vollen Monat abwesend war. Die Kürzung beträgt 1/12 des Ferienanspruchs. Ist der Arbeitnehmer unverschuldeterweise an der Arbeit verhindert (Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten), kann eine Kürzung erst erfolgen, wenn der Arbeitnehmer mindestens zwei volle Monate abwesend ist. In diesem Fall besteht also eine sogenannte Schonfrist von einem Monat. Die Kürzung beträgt demnach je 1/12 ab dem zweiten vollen verhinderten Arbeitsmonat.

Neu sieht Art. 329b Abs. 3 OR vor, dass der Ferienanspruch des Arbeitnehmers infolge Bezugs des Vaterschaftsurlaubs nicht gekürzt werden kann. Dies galt bereits beim Mutterschaftsurlaub und wird nun auch für den Vaterschaftsurlaub gesetzlich festgeschrieben.

Übersicht über die massgebenden Regelungen des EOG
Art. 16i EOG regelt die Anspruchsberechtigung und Art. 16j die Rahmenfrist sowie den Beginn und das Ende des Vaterschaftsurlaubs. Art. 16k-m EOG sehen Regelungen zu den Taggeldleistungen vor. Art. 16j EOG lautet wie folgt:

1 Für den Bezug der Vaterschaftsentschädigung gilt eine Rahmenfrist von sechs Monaten.

2 Die Rahmenfrist und der Anspruch beginnen am Tag der Geburt des Kindes.

3 Der Anspruch endet:

  1. nach Ablauf der Rahmenfrist;
  2. nach Ausschöpfung der Taggelder;
  3. wenn der Vater stirbt;
  4. wenn das Kind stirbt; oder
  5. wenn die Vaterschaft aberkannt wird.

Der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub besteht, wenn das Kind ab dem 1. Januar 2021 zur Welt kommt. Ab diesen Zeitpunkt kann der Arbeitnehmer den Anspruch geltend machen, und zwar bis zum Ende der Rahmenfrist von sechs Monaten. D.h. innert diese Frist kann der Vater einen zweiwöchigen Urlaub beanspruchen; der Urlaub muss nicht gleich mit der Geburt bezogen werden. Der Bezug kann auch wochen- oder tageweise erfolgen und muss nicht zwei Wochen am Stück bezogen werden (Art. 329g Abs. 3 OR). Dies erlaubt eine gewisse Flexibilität innerhalb der eigenen Familie, z.B. durch verlängerte gemeinsame Wochenenden.

Die Vaterschaftsentschädigung wird als Taggeld ausgerichtet und beträgt 80% des vor der Geburt erzielten durchschnittlichen Erwerbseinkommens, höchstens aber CHF 196 pro Tag. Der maximale Anspruch beträgt CHF 2‘744. Auch Selbständigerwerbende haben Anspruch auf eine Vaterschaftsentschädigung, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Weitere Ausführungen zum Anspruch und der Anmeldung/Berechnung können dem AHV / IV Merkblatt Vaterschaftsentschädigung entnommen werden (https://www.ahv-iv.ch/p/6.04.d).

 

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