Praxisfälle

Datenschutz bei Mitarbeitenden: Aufbewahrung von HR-Daten

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bearbeitet der Arbeitgeber diverse Daten seiner Mitarbeitenden. Ob und wie lange diese Daten aufbewahrt werden dürfen oder sogar müssen, ist jedoch oft unklar und nicht immer einfach zu bestimmen.

Von: Jeannine Dehmelt, Marc Ph. Prinz   Teilen  

Jeannine Dehmelt

Jeannine Dehmelt ist Anwältin im Arbeitsrechtsteam der Kanzlei VISCHER am Standort Zürich. Sie berät und vertritt nationale und internationale Klienten in allen Belangen des Arbeitsrechts.

Marc Ph. Prinz

Marc Ph. Prinz, LL.M., ist Leiter des Arbeitsrechtsteams der Kanzlei VISCHER. Er verfügt über langjährige Praxiserfahrung in allen Fragen des Arbeitsrechts. Er berät Arbeitgeber und Kader und vertritt diese in Gerichtsprozessen, insbesondere im Bereich Vergütung und Bonus.

Datenschutz bei Mitarbeitenden

Rechtliche Grundlagen

Datenschutzgesetz und Art. 328b OR
Bei den vorgenannten (HR-)Daten handelt es sich um Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes («DSG»; vgl. Art. 3 DSG). Unter Umständen handelt  es sich gar um besonders schützenswerte Personendaten gemäss Art. 3 lit. c DSG. Dazu zählen Daten betreffend die Gesundheit, die Intimsphäre oder die Rassenzugehörigkeit oder betreffend administrative oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen. Ebenfalls gehören dazu Daten hinsichtlich der religiösen, weltanschaulichen, politischen oder gewerkschaftlichen Ansichten oder Tätigkeiten sowie der Massnahmen der sozialen Hilfe der (zukünftigen) Mitarbeitenden.

Auf das Arbeitsverhältnis sind die allgemeinen Datenbearbeitungsgrundsätze anwendbar. Entsprechend muss jede Datenbearbeitung rechtmässig, nach Treu und Glauben, verhältnismässig, entsprechend dem bei der Datenerhebung angegebenen Zweck, korrekt und sicher (Art. 4, 5 und 7 DSG) sowie in Übereinstimmung mit allen anderen datenschutzrechtlichen Bestimmungen (z.B. betreffend die Herausgabe von Daten an Dritte [Art. 10a DSG] oder ins Ausland [Art. 6 DSG]) erfolgen.

Gestützt auf Art. 328b des Schweizer Obligationenrechts («OR») darf der Arbeitgeber Daten betreffend die (zukünftigen) Mitarbeitenden zudem nur erheben und bearbeiten, soweit sie deren Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder für die Durchführung des Arbeitsvertrags erforderlich sind (Art. 328b OR). Aus unserer Sicht gilt dieses Prinzip aber nicht absolut und ist der Rechtfertigung (Art. 13 DSG) zugänglich, was das Bundesgericht in einem kürzlich ergangenen Entscheid bestätigt hat. Eine weitergehende Datenbearbeitung kann daher insbesondere mit der ausdrücklichen Zustimmung der Mitarbeitenden, bei überwiegenden Interessen des Arbeitgebers oder auch Dritter gerechtfertigt sein.

Gestützt auf diese allgemeinen Bearbeitungsgrundsätze dürfen Daten grundsätzlich nur so lange bearbeitet und aufbewahrt werden, als für den Bearbeitungszweck notwendig und gerechtfertigt sowie verhältnismässig. Spezifische Aufbewahrungsfristen hinsichtlich der (HR-)Daten gibt das DSG nicht vor. Es ist grundsätzlich immer der Einzelfall anzuschauen. Entsprechend ist es fast nicht möglich, allgemeine und in jedem Fall verbindliche Aussagen hinsichtlich der Aufbewahrungsfrist von HR-Daten zu machen. Aus unserer Sicht ist es jedoch eine sinnvolle Herangehensweise, auf die anwendbaren Verjährungs- und Aufbewahrungsfristen abzustellen (als Ausgangspunkt).

Ausblick: Revidiertes Datenschutzgesetz (revDSG)
Die Aufbewahrungsdauer der (HR-)Daten wird unter dem revidierten DSG (« revDSG»), welches voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2022 oder sogar erst Anfang des Jahres 2023 in Kraft tritt, zudem an Wichtigkeit gewinnen. Art. 12 Abs. 2 revDSG hält fest, dass das Verzeichnis der Bearbeitungstätigkeit des Verantwortlichen unter anderem die Aufbewahrungsdauer der Personendaten oder die Kriterien zur Festlegung dieser Dauer enthalten muss. Die Dauer der Aufbewahrung ist somit entweder direkt (z.B. fünf Jahre) oder indirekt mittels der sie bestimmenden Kriterien (z.B. gesellschafsrechtliche Aufbewahrungsfristen, Interesse an Beweisführung) festzuhalten. Auch das Auskunftsrecht umfasst neu die Aufbewahrungsdauer der Personendaten oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien zur Festlegung dieser Dauer (Art. 25 Abs. 2 lit. d revDSG).

Die wichtigsten Verjährungsbestimmungen
Gemäss Art. 127 OR verjähren alle Forderungen mit Ablauf von zehn Jahren, sofern das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt. Entsprechend verjährt der Anspruch des Mitarbeitenden auf Ausstellung oder Berichtigung eines Arbeitszeugnisses 10 Jahre nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Dies hat das Bundesgericht in einem neueren Entscheid von Ende Dezember 2020 bestätigt. Davon abweichend hält Art. 128 Abs. 3 OR fest, dass Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis von Mitarbeitenden nach Ablauf von fünf Jahren verjähren. Diese Bestimmung bezieht sich auf finanzielle Forderungen der (ehemaligen) Mitarbeitenden mit Lohncharakter, z.B. Lohn oder Ferienlohnforderungen oder Entschädigung von Überstunden. Die Verjährungsfrist beginnt ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung (Art. 130 OR). Im Rahmen der Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung (Art. 957 ff. OR) gilt zudem eine Aufbewahrungsfrist für Geschäftsbücher, Buchungsbelege sowie den Geschäfts- und Revisionsbericht von zehn Jahren (Art. 958f OR). Die Frist beginnt mit dem Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahres. Darüber hinaus können – je nach Art der Daten – weitere Verjährungsfristen, insbesondere aus dem Sozialversicherungs- oder auch dem Steuerrecht, relevant sein.

Daten betreffend (abgelehnte) Bewerber

Wird ein Bewerber abgelehnt, sind dessen Daten grundsätzlich drei Monate nach dem definitiven Entscheid zu löschen (vgl. auch Art. 8 GlG). Anders kann es sich verhalten, wenn der Bewerber explizit einer längeren Aufbewahrungsfrist zugestimmt hat. Heute erfolgen Bewerbungen nämlich meist über (automatisierte) Online-Tools. Im Rahmen dieser Tools müssen die Bewerber darüber informiert werden, welche Daten zu welchen Zwecken bearbeitet und wie lange sie gespeichert werden. Sollen die Daten nach einer allfälligen Ablehnung des Bewerbers insbesondere in Bezug auf zukünftige Jobangebote weiter aufbewahrt und bearbeitet werden, müssen die Bewerber dem separat zustimmen (können). Im Zusammenhang mit solchen automatisierten Online-Tools sind unter dem revidierten DSG die Bestimmungen betreffend automatisierte Einzelfallentscheide zu beachten (vgl. auch Art. 21 revDSG). Ist ein Bewerber erfolgreich und wird angestellt, landen seine Bewerbungsunterlagen im Personaldossier. Diejenigen Unterlagen, welche für das Arbeitsverhältnis jedoch nicht (längerfristig) relevant sind, sollten unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit grundsätzlich nach der Probezeit vernichtet werden (z.B. Arbeitszeugnisse alter Arbeitgeber). Die gesamten Bewerbungsunterlagen sollten (spätestens) am Ende des Arbeitsverhältnisses zurückgegeben bzw. vernichtet werden.

Aufbewahrungsfrist für HR-Daten

Zumindest ein grosser Teil der HR-Daten eines (ehemaligen) Mitarbeitenden findet sich in dessen Personaldossier. In der Lehre wird teilweise die Meinung vertreten, dass das gesamte Personaldossier für zehn Jahre nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses aufbewahrt werden könne (oder sogar müsse). Diese Ansicht ist aus unserer Sicht nicht korrekt bzw. zumindest zu unpräzis. Es ist in Bezug auf die einzelnen HR-Daten – welche auch nicht allesamt (zwingend) im Personaldossier abgelegt sind – separat zu ermitteln, wie lange diese aufbewahrt werden müssen und dürfen. Davon geht auch der Eidgenössische Daten schutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) aus.

Aufbewahrung von Lohndaten, Daten betreffend finanzielle Ansprüche der Mitarbeitenden
Geschäftsbuchrelevante Daten (Lohndaten, mögliche Bonuszahlungen) sind während zehn Jahren aufzubewahren. Die weiteren Daten, welche im Zusammenhang mit finanziellen Forderungen der Mitarbeitenden mit Lohncharakter relevant sind, jedoch nur für fünf Jahre (ab deren Fälligkeit).

Daten, welche für die Erstellung/Berichtigung des Arbeitszeugnisses relevant sind
Wie vorab dargelegt, verjährt der Anspruch eines Mitarbeitenden auf Ausstellung oder Berichtigung des Arbeitszeugnisses zehn Jahre nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Entsprechend empfiehlt es sich aus unserer Sicht bzw. ist es gerechtfertigt, die im Zusammenhang mit dem Arbeitszeugnis relevanten HR-Daten für zehn Jahre nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses aufzubewahren. Diese zehnjährige Frist gilt jedoch nur, sofern es sich nicht um ein sehr langes Arbeitsverhältnis handelt. Bei einem (sehr) langjährigen Mitarbeitenden dürften Mitarbeiterbeurteilungen betreffend die ersten Jahre der Anstellung kaum mehr relevant sein in Bezug auf das Arbeitszeugnis. Der Eidgenössische EDÖB geht sogar davon aus, dass in der Regel nur die letzten zwei Mitarbeiterbeurteilungen für die Erstellung eines Arbeitszeugnisses massgebend sind (was aus unserer Sicht etwas zu kurz greift oder zumindest nicht so allgemein festgehalten werden kann).

In diesem Zusammenhang mit der Erstellung oder Berichtigung des Arbeitszeugnisses relevante Daten sind insbesondere die folgenden: Angaben über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses, Aufgabenbeschreibung und Angaben zum Verantwortlichkeitsbereich (einschliesslich Führungsaufgaben), Leistungs- und Verhaltensbeurteilungen, Unterlagen betreffend Weiterbildung, u.U. Angaben betreffend längere Abwesenheiten (oder auch andere spezielle Vorkommnisse), Unterlagen betreffend den Austritt des Mitarbeitenden.

Hängige Rechtsstreitigkeiten
Von den vorgenannten (allgemeinen) Aufbewahrungsfristen kann jedoch insbesondere abgewichen werden, wenn der (ehemalige) Mitarbeitende oder Arbeitgeber eine Klage anhängig gemacht hat. In diesem Fall dürfen die für das Verfahren relevanten Unterlagen (mögliche Beweismittel) bis zum Ende der Rechtsstreitigkeit aufbewahrt werden, d.h., bis das entsprechende Urteil in Rechtskraft erwachsen ist.
 

HR-Daten      

Aufbewahrungsfrist                            

Zeitpunkt, an dem die
Frist zu laufen beginnt

Bewerberdaten

3 Monate nach Ablehnung
oder Probezeit bzw. Arbeitsverhältnis

Ablehnung oder Anstellung

Für das Arbeitszeugnis
relevante Daten

10 Jahre

Ende des Arbeitsverhältnisses

Geschäftsbuchrelevante
Daten (z.B. Lohndaten)

10 Jahre

Ablauf des jeweiligen
Geschäftsjahrs

Andere im Zusammenhang
mit finanziellen Ansprüchen des Mitarbeitenden relevante Daten

5 Jahre

Ab Fälligkeit des jeweiligen
Anspruchs

Fazit
Eine allgemeine Aufbewahrungsfrist für alle HR-Daten und/oder alle im Personaldossier abgelegten Daten lässt sich nicht bestimmen. Vielmehr sind die Aufbewahrungsfristen – sodann insbesondere unter dem revidierten DSG – für verschiedene Datenkategorien festzulegen. Dabei ist es aus unserer Sicht sinnvoll und gerechtfertigt, sich an den anwendbaren Verjährungs- und Aufbewahrungsfristen zu orientieren. Gestützt auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit sollte das Personaldossier jedoch regelmässig «ausgemistet» werden. Ebenso sollte der Zugang zum Personaldossier auf einen bestimmten – möglichst kleinen – Personenkreis beschränkt werden.

Vor diesem Hintergrund können sich Unternehmen an den folgenden Aufbewahrungsfristen für verschiedene HR-Daten orientieren. Dabei handelt es sich jedoch nur um einen groben Überblick, und es sind immer der Einzelfall bzw. das einzelne Unternehmen und dessen Daten zu betrachten.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe März 2022 von personalSCHWEIZ erschienen.

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