Praxisfälle

Arbeitsrechtliche Bestimmungen in der Anfangszeit: Probezeit

Die Probezeit ermöglicht den Parteien, sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses kennenzulernen, die Zusammenarbeit zu prüfen und gegebenenfalls kurzfristig wieder zu beenden. Während der Probezeit gelten deshalb spezielle Regelungen, auf die nachfolgend näher eingegangen wird.

Von: Anina Kuoni   Teilen  

Dr. iur. Anina Kuoni

Dr. iur. Anina Kuoni, Fachanwältin SAV Arbeitsrecht, ist spezialisiert auf Arbeitsrecht, öffentliches Dienstrecht sowie Beschaffungs- und Vertragsrecht und sowohl beratend als auch prozessierend tätig.

Arbeitsrechtliche Bestimmungen in der Anfangszeit

Gemäss Art. 335b Abs. 1 OR gilt der erste Monat eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Probezeit. Abweichungen von der gesetzlichen Vermutung in Art. 335b Abs. 1 OR sind durch schriftliche Parteiabrede, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag zu regeln. Wollen die Parteien auf eine Probezeit verzichten oder die Probezeit für mehr als einen Monat festlegen, müssen sie das schriftlich vereinbaren. 

Achtung: Schriftlichkeit im Sinne von Art. 335b Abs. 2 OR bedeutet, dass es einer handschriftlichen Unterschrift durch beide Parteien bedarf oder einer sogenannten qualifizierten elektronischen Signatur gemäss dem Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES, SR 943.03).

Die Vermutung einer Probezeit im ersten Monat des Arbeitsverhältnisses gilt bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht. Auch in einem befristeten Arbeitsverhältnis ist die Vereinbarung einer Probezeit durch entsprechende Parteiabrede jedoch möglich.

In privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen kann die Probezeit von Gesetzes wegen für maximal drei Monate vereinbart werden (Art. 335b Abs. 2 OR). Diese Bestimmung ist zwingend. Vereinbaren die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten, ist die Vereinbarung für den vierten bis zum sechsten Monat nichtig, und es gelten nur die ersten drei Monate als Probezeit.

Ausnahmen gelten beim Lehrvertrag: Dort beträgt die Probezeit mindestens einen Monat und maximal drei Monate. Haben die Parteien nichts verabredet, gilt beim Lehrvertrag von Gesetzes wegen eine dreimonatige Probezeit (Art. 344a Abs. 3 OR). Mit Zustimmung der zuständigen kantonalen Behörde ist beim Lehrvertrag vor Ablauf der Probezeit zudem eine Verlängerung auf sechs Monate möglich (Art. 344a Abs. 4 OR).

Beginn der Probezeit
Die Probezeit beginnt erst mit dem tatsächlichen Stellenantritt. Wird der Arbeitsvertrag erst am Tag des Stellenantritts abgeschlossen, so zählt dieser Tag gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht mit, da er den Parteien nicht ganz zur Verfügung steht. Die Dauer der Probezeit berechnet sich nach Bundesgericht diesfalls nach Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 OR: Erfolgen Stellenantritt und Abschluss des Arbeitsvertrags z.B. am 21. Juni, so endet die Probezeit am 21. Juli.

Umstritten und vom Bundesgericht offengelassen ist die Frage, ob der Tag des Stellenantritts mitzählt, wenn der Arbeitsvertrag bereits zuvor abgeschlossen worden ist, und damit, ob sich die Dauer diesfalls auch nach Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 OR berechnet oder nicht.

Verlängerung von Gesetzes wegen
Die Probezeit verlängert sich von Gesetzes wegen, d.h. automatisch, um die Tage, in denen die arbeitnehmende Person infolge Krankheit, Unfall oder Erfüllung einer nicht freiwillig übernommenen gesetzlichen Pflicht, insbesondere infolge Leisten von Militär-, Zivil- und Schutzdienst, nicht arbeiten konnte. Dabei wird die Probezeit exakt um die Anzahl Arbeitstage verlängert, welche die arbeitnehmende Person an der Arbeit verhindert war. Die Probezeit verlängert sich also nicht um Kalendertage, sondern um effektive Arbeitstage.

Die gesetzliche Aufzählung ist abschliessend. Ferien, unbezahlter Urlaub, Schwangerschaft, Betreuungsurlaub usw. verlängern die Probezeit deshalb grundsätzlich nicht. Die gesetzliche Regelung kann aber durch eine entsprechende Parteiabrede ergänzt oder ausgeschlossen werden.

Mit Blick auf Sinn und Zweck der Probezeit sind an ihre Verlängerung folgende Voraussetzungen geknüpft: Die Probezeit muss sich durch die Abwesenheit der arbeitnehmenden Person effektiv verkürzen, und es darf der arbeitnehmenden Person nicht bereits die Kündigung der Arbeitgeberin zugegangen sein.

Kündigung während der Probezeit
Die gesetzliche Kündigungsfrist in der Probezeit beträgt sieben Tage. Gemeint sind hier Kalender-, nicht Arbeitstage. Die Parteien können jedoch eine andere Frist, den Verzicht auf eine Frist oder einen bestimmten Kündigungstermin (z.B. per Ende einer Arbeitswoche) vereinbaren. Nur im Lehrverhältnis ist eine Kündigungsfrist von sieben Tagen zwingend. Die Kündigung gilt als Probezeitkündigung, wenn sie während der Probezeit bei der anderen Partei eingetroffen ist. Dass die Frist nach Ende der Probezeit abläuft, ändert daran nichts.

Missbräuchliche Kündigung in der Probezeit?
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Missbräuchlichkeit einer Kündigung in der Probezeit nicht ausgeschlossen, jedoch gelangen die Missbrauchsbestimmungen im Vergleich zu einer Kündigung nach der Probezeit nur eingeschränkt zur Anwendung. Zu denken ist insbesondere an Fälle, in denen es bereits während der Probezeit zu Differenzen zwischen den Parteien kommt und sich abzeichnet, dass sich die (gegenseitigen) Erwartungen nicht erfüllen. Diesfalls ist eine Kündigung nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, da die Probezeit gerade der Prüfung einer langfristigen Bindung und Zusammenarbeit dient.

Mehrere Probezeiten?
Die Probezeit dient dazu, sich gegenseitig kennenzulernen. Zwischen denselben Parteien darf daher grundsätzlich keine zweite Probezeit vereinbart werden. Dies gilt auch, wenn eine lernende Person nach Lehrabschluss weiter bei der Arbeitgeberin beschäftigt wird, oder im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang.

Ausnahmen sind denkbar, sofern die arbeitnehmende Person während längerer Zeit für eine andere Arbeitgeberin tätig war oder wenn sie eine völlig andere Funktion übernimmt. Es ist immer eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Im Übrigen gilt bei innerbetrieblichen Wechseln grundsätzlich das Verbot einer zweiten Probezeit.

Personalverleih
Mit jedem Einsatz beginnt beim Personalverleih ein neues Arbeitsverhältnis. Deshalb beginnt hier auch jedes Mal eine neue Probezeit, sofern die Einsätze nicht im bisherigen Betrieb erfolgen. Eine Probezeit ist auch legitim, wenn eine arbeitnehmende Person vom Verleiher in eine Anstellung im Einsatzbetrieb wechselt, da es sich hier um ein neues Arbeitsverhältnis handelt. 

Zu beachten ist, dass im Personalverleih die Kündigungsfrist mindestens zwei Tage beträgt (Art. 19 Abs. 4 lit. a AVG sowie Art. 11 Abs. 2 GAV Personalverleih, der von zwei Arbeitstagen spricht).

FAQ

Kann die Probezeit für mehr als einen Monat vereinbart werden? 
Ja, aber diese Vereinbarung muss schriftlich erfolgen, und die Dauer der Probezeit darf drei Monate nicht übersteigen. 

Was passiert, wenn die Parteien die Probezeit nach Ablauf der drei Monate freiwillig schriftlich um einen Monat verlängert haben? 
Diese Vereinbarung ist nichtig, es handelt sich bei der dreimonatigen Dauer der Probezeit um eine gesetzlich geregelte Maximaldauer. 

In welchen Fällen wird die Probezeit verlängert? 
Die Probezeit verlängert sich um die Anzahl Tage krankheits- und unfallbedingter Abwesenheit der arbeitnehmenden Person. Eine Verlängerung erfolgt auch für die Tage, an denen die arbeitnehmende Person eine nicht freiwillig übernommene gesetzliche Pflicht erfüllen musste. 

Was sind Beispiele von nicht freiwillig übernommenen gesetzlichen Pflichten? 
Hierbei handelt es sich insbesondere um Militärdienst (auch ausländischer) inkl. Beförderungsdienste, Zivil- und Zivilschutzdienst, aber auch Feuerwehrdienste und Zeugenaussagen vor Gericht fallen darunter. 

Kann die Anzahl Tage Abwesenheit bei der Verlängerung der Probezeit am Schluss einfach dazugezählt werden? 
Nein, die arbeitnehmende Person muss die effektiven Arbeitstage nachholen. Das heisst, war die arbeitnehmende Person vier Tage krank und würde die Probezeit an einem Donnerstag enden, dann endet die Probezeit nicht am Montag, sondern am Mittwoch. Da am Samstag und Sonntag nicht gearbeitet wird, zählen diese beiden Tage bei der Verlängerung nicht mit, es werden Freitag sowie Montag bis und mit Mittwoch «nachgearbeitet». 

Kann der arbeitnehmenden Person in der Probezeit gekündigt werden, obwohl sie krank ist?
Ja, während der Probezeit gelangen die Sperrfristen gemäss Art. 336c OR nicht zur Anwendung.

(Dieser Praxisfall ist in der Ausgabe Februar 2025 von personalSCHWEIZ erschienen)

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