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Arbeitsgesetzliche Bestimmungen für Teilzeitangestellte und Freiberufler: Mehrfachbeschäftigung

Arbeiten Ihre Mitarbeitenden nebenbei oder in mehreren Jobs? Sind Sie sich bewusst, wie sich eine Mehrfachbeschäftigung auf Ihr Unternehmen auswirken kann? Mehrfachbeschäftigung nimmt durch neue Arbeitsmodelle und Werte stetig zu. Dieser Artikel zeigt, welche arbeitsrechtlichen Regeln gelten und wie Sie Konflikte vermeiden.

Von: Aurissa Lier, Marc Ph. Prinz   Teilen  

Aurissa Lier

Aurissa Lier ist Anwältin im Arbeitsrechtsteam der Kanzlei VISCHER AG. Sie berät und vertritt nationale und internationale Klienten in allen Belangen des Arbeitsrechts.

Marc Ph. Prinz

Marc Ph. Prinz, LL.M., ist Leiter des Arbeitsrechtsteams der Kanzlei VISCHER. Er verfügt über langjährige Praxiserfahrung in allen Fragen des Arbeitsrechts. Er berät Arbeitgeber und Kader und vertritt diese in Gerichtsprozessen, insbesondere im Bereich Vergütung und Bonus.

Arbeitsgesetzliche Bestimmungen für Teilzeitangestellte und Freiberufler

Was ist Mehrfachbeschäftigung?

Mehrfachbeschäftigung bezeichnet die gleichzeitige Ausübung mehrerer Tätigkeiten bei verschiedenen Arbeitgebern. Dazu zählen sowohl die Kombination einer Anstellung mit einer selbstständigen Tätigkeit als auch die Ausübung mehrerer Teilzeitstellen oder eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit neben einer Vollzeitstelle.

Die Einordnung neuer Arbeitsformen – Influencer als Freiberufler 
Die zunehmende Zahl an Freiberuflern, insbesondere durch den Boom von Influencern und anderen selbstständigen Tätigkeiten, stellt das Arbeitsrecht vor Herausforderungen. Im Vergleich zu fest angestellten Mitarbeitenden geniessen Freiberufler grössere Freiheiten und sind oft nur projektbezogen tätig. Können sie nun als Arbeitnehmer oder als Selbstständige gelten? Gerade bei Influencern entsprechen die Vertragsverhältnisse oft nicht klassischen Arbeitsverträgen. Dennoch können bei wirtschaftlicher Abhängigkeit einzelne arbeitsrechtliche Bestimmungen, wie z.B. Kündigungsschutzbestimmungen, Anwendung finden. Die rechtliche Einordnung von Freiberuflern erfordert daher jeweils eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall, insbesondere auch im Kontext der Mehrfachbeschäftigung.

Arbeitsrechtliche Fragestellungen bei Mehrfachbeschäftigung

Mehrfachbeschäftigung ist grundsätzlich zulässig, sowohl aus privatrechtlicher Sicht als auch nach dem Arbeitsgesetz (ArG). Insbesondere die nachfolgenden rechtlichen Bestimmungen werfen Fragen im Zusammenhang mit Mehrfachbeschäftigungen auf.

Was muss ich im Zusammenhang mit dem ArG beachten?
Die zwingenden Bestimmungen des ArG müssen auch bei Mehrfachbeschäftigung strikt eingehalten werden. Besonders herausfordernd sind dabei die Regelungen zu Arbeits- und Ruhezeiten sowie die Schutzpflichten des Arbeitgebers. Laut den Vorgaben des SECO müssen die Bestimmungen unter Betrachtung aller Beschäftigungsverhältnisse, die vom ArG geregelt sind, insgesamt eingehalten werden. Sowohl die Tätigkeit des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers muss vom Geltungsbereich des ArG erfasst sein. Selbst bei unentgeltlicher Arbeit kann eine arbeitsgesetzlich relevante Mehrfachbeschäftigung vorliegen.

Auch wenn das ArG nicht auf alle Tätigkeiten eines Mehrfachbeschäftigten Anwendung findet, kann dennoch aufgrund der Gesamtbelastung dessen Gesundheit beeinträchtigt werden – in diesem Fall greift der allgemeine Gesundheitsschutz. Sollte der Arbeitgeber von der Mehrfachbeschäftigung seines Mitarbeitenden wissen oder wissen müssen, kann ein Verstoss gegen die entsprechenden Schutzvorschriften vorliegen. 

Die Verantwortung zur Einhaltung der arbeitsgesetzlichen Vorschriften liegt vollständig beim Arbeitgeber. Besonders der Zweitarbeitgeber, der Teilzeitbeschäftigte anstellt, sollte eine verstärkte Kontrolle vor allem in Bezug auf die folgenden Vorschriften vorsehen:

  • tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit,
  • Überzeit sowie
  • tägliche und wöchentliche Ruhezeit.

Das ArG sieht vor, dass die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 bzw. 50 Stunden nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf und die Überzeit zwingend mit einem Zuschlag von 25% vergütet werden muss (vgl. Art. 9 ff. ArG). Probleme ergeben sich insbesondere dann, wenn beispielsweise in zwei Arbeitsverhältnissen die wöchentliche Höchstarbeitszeit jeweils nicht überschritten wird, jedoch in der Summe. Bei welchem Arbeitgeber sind die Mehrstunden nun als Überzeit zu werten? Die Antwort auf diese Frage entscheidet darüber, welcher Arbeitgeber den Lohnzuschlag zu bezahlen hat. Ein höchstrichterliches Urteil bezüglich solcher praktischen Fragen steht noch aus.

Bei Verletzung der arbeitsgesetzlichen Vorschriften drohen dem Arbeitgeber ein Verwaltungs- und möglicherweise ein strafrechtliches Verfahren. Unter diesem Gesichtspunkt ist es ratsam, bei Teilzeitangestellten gezielt nachzufragen und vertragliche Klauseln zu integrieren.

Habe ich Einschränkungen bei der Festlegung der Arbeitszeiten sowie der Anordnung von Überstunden und des Ferienbezugs?
Auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann durch eine Mehrfachbeschäftigung tangiert werden. Das Weisungsrecht (Art. 321d OR) des Arbeitgebers umfasst unter anderem die Festlegung der täglichen Arbeitszeit und die Anordnung von Überstunden (Art. 321c OR). Bei mehrfachbeschäftigten Mitarbeitenden können diesbezügliche Vorgaben des Arbeitgebers schnell in Konflikt mit den anderen Arbeitsverhältnissen geraten. Häufig wird diesfalls die Unzumutbarkeit der Leistung von Überstunden – im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten – zu erwarten sein. Auch hier gilt: Jede Situation muss individuell beurteilt werden. Ohne Kenntnis von weiteren Erwerbstätigkeiten seines Mitarbeitenden kann der Arbeitgeber nicht erkennen, ob z.B. die Leistung von Überstunden tatsächlich unzumutbar ist. Es empfiehlt sich daher, mitunter Arbeitszeiten und Modalitäten für aussergewöhnliche Einsätze vertraglich festzulegen.

Auch Teilzeitbeschäftigte haben Anspruch auf die gesetzlichen Mindestferien. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich den Zeitpunkt des Ferienbezugs festlegen, wobei er die Wünsche des Arbeitnehmers berücksichtigen sollte (Art. 329c Abs. 2 OR). Der Erholungszweck der Ferien kann nur erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer in allen Arbeitsverhältnissen gleichzeitig Ferien beziehen kann. In der Praxis dürften sich hier oftmals Koordinationsprobleme stellen, z.B. bei unterschiedlichen Betriebsferien.

Was bedeutet es, wenn mein Teilzeitmitarbeitender krank ist?
Das Arbeitsrecht kennt keine generelle Arbeitsunfähigkeit. Es ist durchaus möglich, dass ein Arbeitnehmer eine Tätigkeit krankheitsbedingt nicht mehr ausüben kann, während eine andere Tätigkeit weiterhin möglich ist. Es ist davon auszugehen, dass bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit die Arbeitsleistung entsprechend dem Teilzeitpensum zu reduzieren ist. Dies berücksichtigt auch den Fall, dass der Arbeitnehmer in der verbleibenden Zeit eine weitere Erwerbstätigkeit ausübt. Im Falle einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit können Nebentätigkeiten weiterhin ausgeführt werden. Bei Mehrfachbeschäftigung ist daher die Arbeitsunfähigkeit für jede Tätigkeit einzeln zu prüfen und mit einem gesonderten Arztzeugnis nachzuweisen. Unabhängig vom Arbeitspensum ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung den gesetzlichen Lohnfortzahlungsanspruch zu gewährleisten.

Gelten auch für meine Mitarbeitenden Einschränkungen?
Aus Sicht des Arbeitnehmers bedeutet Mehrfachbeschäftigung nicht automatisch einen Verstoss gegen seine Treuepflicht (Art. 321a OR). Allerdings setzt sie Grenzen, insbesondere durch das aus der Treuepflicht abgeleitete Konkurrenzverbot. Das arbeitsvertragliche Konkurrenzverbot untersagt dem Arbeitnehmer nicht nur die bezahlte, sondern grundsätzlich auch die unbezahlte Konkurrenzierung des Arbeitgebers. Die Auffassungen darüber, ob das Konkurrenzverbot auch bei Teilzeitmitarbeitenden uneingeschränkt gilt, gehen auseinander. Ein weiteres Thema ist die Überlastung. Wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Mehrfachbeschäftigung nicht mehr die volle Arbeitsleistung erbringen kann und die Leistungsfähigkeit leidet, kann dies die Treuepflicht verletzen. Solange diese Voraussetzungen erfüllt sind und die Geheimhaltungspflicht gewahrt bleibt, steht die Treuepflicht einer Mehrfachbeschäftigung grundsätzlich nicht entgegen. Eine Beeinträchtigung bedürfte der Zustimmung des Arbeitgebers.

Fazit: Klare vertragliche Regelungen sind unerlässlich

Die Mehrfachbeschäftigung bringt zahlreiche arbeitsrechtliche Herausforderungen mit sich. Es existiert keine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber über weitere Tätigkeiten zu informieren. In der Praxis kommt es häufig vor, dass Arbeitgeber von Nebentätigkeiten ihrer Mitarbeitenden nichts wissen. Ohne eine klare vertragliche Regelung kann dies zu Konflikten und rechtlichen Problemen führen.

Arbeitgebern ist es daher zu empfehlen, bei der Einstellung von Teilzeitkräften das Thema Mehrfachbeschäftigung proaktiv anzusprechen und eine entsprechende Informationspflicht in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Damit stellen sie sicher, dass sie über alle relevanten Informationen verfügen, um die gesetzlichen Vorgaben einhalten und eine gute Koordination gewährleisten zu können. Eine transparente Kommunikation erleichtert auch dem Arbeitnehmer, seine verschiedenen Tätigkeiten besser organisieren zu können.

Die Klausel im Arbeitsvertrag könnte wie folgt lauten: Der Arbeitnehmer übt ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Arbeitgebers keine entgeltliche oder unentgeltliche gewerbsmässige Nebentätigkeit aus. Andere Nebenbeschäftigungen bedürfen der Zustimmung des Arbeitgebers, soweit sie die Wahrnehmung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers oder die Interessen des Arbeitgebers beinträchtigen könnten. Der Arbeitgeber kann eine erteilte Genehmigung jederzeit widerrufen, wenn die genehmigte Nebentätigkeit die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers beeinträchtigt. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber unaufgefordert und unverzüglich jede Änderung seiner Nebentätigkeiten mitzuteilen.

(Dieser Praxisfall ist in der Ausgabe April 2025 von personalSCHWEIZ erschienen)

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