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Experten-Interviews
Zukunft des Arbeitsmarkts: «Zunehmende Regulierung schränkt unternehmerische Freiheit ein»
Sie sind Ressortleiterin Arbeitsmarkt beim Schweizerischen Arbeitgeberverband (SVA). Was sind momentan die dringlichsten Probleme, mit denen der Schweizer Arbeitsmarkt konfrontiert ist?
Die Alterung der Bevölkerung und die rückläufige Zuwanderung in die Schweiz bei gleichzeitig guter Wirtschaftslage führen zu einem zunehmenden Mangel an Arbeitskräften. In einigen Branchen können die Unternehmen offene Stellen schon heute nicht mehr adäquat besetzen. Die hoch spezialisierte Schweizer Wirtschaft ist und wird auch künftig auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen sein. Dazu kommt in den letzten Jahren die zunehmende Tendenz, den liberalen Arbeitsmarkt mit staatlichen Eingriffen einzuschränken – und damit die unternehmerische Freiheit zu beschneiden. Wenn dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen leidet, trifft dies auch die Arbeitnehmenden.
Wie schätzen Sie die allgemeine Lage des Arbeitsmarkts ein?
Nach und nach schlägt sich die bessere wirtschaftliche Entwicklung auch auf den Arbeitsmarkt nieder. Die Zahl der Arbeitslosen geht weiterhin zurück und die Zahl der Beschäftigten nimmt stark zu. Das ist auch ein Indiz dafür, dass Unternehmen von einer besseren wirtschaftlichen Perspektive ausgehen. Schätzungen der International Labour Organization (ILO) rechnen mit einer Erwerbslosenquote von 4,5 Prozent für dieses und von 4,3 Prozent für nächstes Jahr. 2017 betrug die Quote noch 4,8 Prozent. Die Löhne stiegen letztes Jahr im Ausmass der Teuerung, was gemäss ersten Tendenzen auch in etwa für das laufende Jahr zutreffen dürfte.
Die Löhne werden nur der Teuerung angepasst, steigen de facto also nicht. Und dies trotz Wirtschaftswachstum. Was sind die Gründe?
Das Wachstum der Reallöhne überstieg in den letzten Jahren meist das gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum. Begleitet wurde diese Entwicklung von einer steigenden Quote der Löhne am schweizerischen Bruttoinlandsprodukt. Zurückzuführen ist dies auf einen Rückgang der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen als Folge der Frankenaufwertung. Genau diese tieferen Margen schränken jedoch auch die Möglichkeit der Unternehmen für Lohnerhöhungen ein. Durch die negative Teuerung der vergangenen Jahre haben sich die Reallöhne und somit die Kaufkraft der Arbeitnehmenden trotz der teils unterdurchschnittlichen Nominallohnerhöhung erhöht.
Die Schweiz ist das Land der Vollbeschäftigung. Trotzdem belegt das Thema «Arbeitslosigkeit» seit Jahren eine Top-Platzierung im CS-Sorgenbarometer. Haben Sie dazu eine Erklärung? Und müssen sich Schweizer zu Recht Sorgen um ihren Job machen?
Im internationalen Vergleich steht die Schweiz in Sachen Beschäftigung sehr gut da. Sie hat eine der höchsten Erwerbstätigenquoten und eine der tiefsten Erwerbslosenquoten. Die Tatsache, dass in manchen Branchen schon heute akut Fachkräfte fehlen, unterstreicht die komfortable Lage der hiesigen Arbeitnehmenden zusätzlich. Entwicklungen wie die Digitalisierung, die Globalisierung oder die Demografie unterwerfen die Arbeitswelt aktuell einem starken Wandel. Die teils rasanten Entwicklungen können durchaus als bedrohlich für den eigenen Job wahrgenommen werden. Umso wichtiger ist es, dass man nicht stehen bleibt und bereit ist, sich weiterzubilden und auf Neues einzulassen. Es ist aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass es auch in Zukunft genug Arbeit geben wird, wenn sich auch die Arbeitsinhalte und -formen verändern.
«Lohnunterschiede sind die Folge von mangelhafter Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben, nicht von Diskriminierung.»
Der Schweizerische Arbeitgeberverband plädiert für eine Liberalisierung des Arbeitsmarkts. Wie genau soll diese Liberalisierung denn aussehen? Oder anders gefragt: Welche Arbeitnehmerrechte stören Sie im Moment am meisten?
Wir stören uns nicht an Arbeitnehmerrechten, im Gegenteil: Rechte sowohl von Arbeitgebern wie auch von Arbeitnehmern sind Teil der bewährten Sozialpartnerschaft. Was den vergleichsweise liberalen Schweizer Arbeitsmarkt einzuschränken droht, sind die zunehmenden Regulierungen: Gesetzliche Frauenquote, vorgeschriebene Lohnkontrollen oder gesetzlich vorgegebene statt betriebliche Vaterschafts- und Care-Urlaube sind nur einige Beispiele von aktuell diskutierten gesetzlichen Vorgaben, welche die unternehmerische Freiheit einschränken. Die Anliegen sind oft durchaus berechtigt, die Umsetzung per Gesetz ist jedoch falsch. Gesetze sind immer Einheitslösungen, die den individuellen Möglichkeiten und Gegebenheiten der vielen verschiedenen Unternehmen im Land keine Rechnung tragen. Deshalb muss die Umsetzung den einzelnen Unternehmen überlassen bleiben. Diese Flexibilität ist einer der wichtigsten Standortvorteile der Schweiz, die erfolgreiches unternehmerisches Handeln – die Basis unseres Wohlstands – ermöglicht.
Lohnkontrollen sind doch keine Regulierungen vom Gesetzgeber, sondern nur Instrumente, um die vorhandenen Regeln auch durchzusetzen. Sie finden also, ob Personen auf Baustellen zu Dumpinglöhnen arbeiten oder ob Männer und Frauen gleich viel verdienen, muss nicht überprüft werden? Soll denn jede Firma dies so handhaben, wie es ihr gerade passt?
Eine gesetzliche Vorgabe, die diktiert, durch wen, wann und wie oft eine Lohnkontrolle stattzufinden hat, stellt eine Regulierung dar. Im Bereich der erwähnten Kontrolle von Löhnen von (ausländischen) Personen kennt die Schweiz die sogenannten flankierenden Massnahmen, welche sich im Kampf gegen Lohndumping von ausländischen Arbeitgebern bewährt haben. Ein anderes Thema ist jenes der Lohngleichheit zwischen Frau und Mann. Wir lehnen jede Form von Lohndiskriminierung ab. Die Arbeitgeber haben immer wieder darauf hingewiesen – und dafür regelmässig auch Support von der Wissenschaft erhalten –, dass eine geschlechtsspezifische «Lohndiskriminierung» statistisch nicht fundiert nachgewiesen ist. Ein Gesetz auf einer wissenschaftlich zweifelhaften Grundlage zu verabschieden, ist äusserst fragwürdig. Dies gilt umso mehr, als Studien zeigen, dass unter Berücksichtigung zusätzlicher lohnrelevanter Kriterien wie beispielsweise die effektive Erwerbserfahrung bzw. Erwerbsunterbrüche die unerklärten Lohnunterschiede stark sinken. Die noch bestehenden Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern haben ihre Ursache nicht in systematischen Diskriminierungspraktiken, sondern vielmehr in der noch mangelhaften Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben.
Sie geben der Wirtschaft keine Mitschuld an den diskutierten Regulierungsplänen? Gäbe es mehr Frauen in Führungs- und Kaderpositionen, würden Stimmen, die eine gesetzliche Frauenquote verlangen, doch schnell verstummen?
Um mehr Frauen in Führungs- und Kaderfunktionen befördern zu können, müssen in erster Linie Erwerbsunterbrüche von Müttern sinken, denn nur so kann weiblicher Nachwuchs nachhaltig gefördert und für Führungs- und Kaderfunktionen gerüstet werden. Analysen in Ländern mit Quoten zeigen, dass zwar viele der potenziellen negativen Folgen von Quoten ausblieben, die Quoten jedoch nicht den gewünschten Effekt zeigen, den man sich von ihnen verspricht. So ging man davon aus, dass Quoten in Führungsgremien die Situation von Frauen auf unteren Stufen verbessern würden, sodass Nachwuchs von Frauen zukünftig ohne Quoten in solche Positionen nachrücken könnte. Eine solche Entwicklung kann jedoch in Ländern mit Quoten nicht oder nur ganz schwach beobachtet werden. Quoten sind somit reine Symptombekämpfung, während die Ursachen nur durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, namentlich genügend und finanziell attraktive Drittbetreuungsangebote, bekämpft werden können. In diesem Bereich sieht der SAV Handlungsbedarf und bringt sich auch regelmässig ein.
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