Experten-Interviews

April 2022

Stellenanzeige und Onboarding: «Auf unkomplizierte Art das Kennenlernen fördern»

Ob gedruckt in der Zeitung oder desktop- und mobile-optimiert auf Jobportalen: Als eine der ursprünglichsten Formen der Kandidat*innen-Ansprache hat die Stellenanzeige immer noch ihre Daseinsberechtigung. Wir sprechen mit Patrick Fehr, Leiter Recruiting & Employer Branding bei BRACK.CH, über die Bedeutung der Stellenanzeige als Recruitingkanal beim bekannten Onlinehändler. Im Gespräch verrät er, warum sein Arbeitgeber vorerst auf Lohnangaben im Jobinserat verzichtet und wie ein erfolgreiches Onboarding von neuen Mitarbeitenden auch rein digital gelingt.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

Stellenanzeige und Onboarding

Patrick Fehr, seit einigen Wochen wurden die Corona-Massnahmen fast alle aufgehoben – für die meisten von uns eine Erleichterung, auch wenn damit das Virus nicht komplett verschwindet. Wie haben Sie die beiden Pandemiejahre persönlich erlebt?

Kontrovers! Spannend, in welchem Tempo sich die Berufswelt verändert. Viele Branchen haben gelitten, während wir fast in Arbeit ertrunken sind. Motivierend war, wie hilfsbereit unsere Mitarbeitenden agiert haben. Auch ausserhalb der Berufswelt habe ich eine grosse Hilfsbereitschaft festgestellt, was nicht selbstverständlich ist. Bedrückend war, wie Menschen, die voll im Leben stehen, wegen dieser Pandemie leiden. Mich haben vor allem die jungen Menschen beeindruckt. Sie haben sich an die Empfehlungen und Verordnungen gehalten und sich sehr verständnisvoll gezeigt. Ich bin ob dieser Erfahrungen nicht unglücklich, aber freue mich, dass wir uns einer gewissen Normalität annähern.

Wie hat sich die Pandemie auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
In unserem Job geht es um Menschen – das hat sich nicht verändert. Im Recruiting haben wir auf virtuelle Gespräche umgestellt, was sich vom ersten Tag an bewährt hat – sowohl im Umgang mit Bewerbenden, aber auch intern. Bei vielen Anstellungen der vergangenen zwei Jahre ist alles – von der ersten bis zur letzten Runde – virtuell abgelaufen. Einige Mitarbeitende waren nach über 12–18 Monaten erst einmal an unserem Firmensitz in Mägenwil – um ihren Laptop abzuholen. Den Vertrag auszustellen, war fast der einzige Prozess, den wir physisch durchgeführt haben. Mittlerweile haben wir auch diesen digitalisiert. Es beeindruckte mich, wie positiv Bewerbende und Linie mit virtuellen Gesprächen umgegangen sind. Wir erhalten regelmässig das Feedback, dass es gegenseitig nie Überraschungen gegeben hat, wenn man sich doch noch live getroffen hat. Das beweist, dass der virtuelle Bewerbungsprozess funktioniert. Mindestens die Erstgespräche werden wir nur noch virtuell führen – für die Bewerbenden ergeben sich nur Vorteile. Übrigens stellen wir fest, dass dank Video-Calls tendenziell mehr Bewerbende zum Erstgespräch eingeladen werden.

In den letzten 2 Jahren ist der Onlinehandel stark gewachsen, da das Einkaufen in Geschäften wegen Corona an Attraktivität verlor. Wie viel zusätzliche Mitarbeitende mussten Sie rekrutieren, um den plötzlichen Ansturm bewältigen zu können?
In unserer Logistik in Willisau haben wir unsere Mitarbeitendenzahl mit internem und externem temporärem Personal auf ca. 400 Personen verdoppelt. An unserem Hauptsitz in Mägenwil haben wir in den letzten zwei Jahren um die 130 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.

Für welche Unternehmensbereiche haben Sie (am meisten) Personal gesucht?
Nebst der Logistik haben wir in Product Management, Marketing und auch Softwareentwicklung Fachspezialist*innen eingestellt. Zusätzlich haben wir viele komplett neue Funktionen geschaffen, von Supply-Chain über Prozess- und Projektleitung sowie IT Security bis hin zu interner Kommunikation. Wir haben unsere HR-Abteilung ausgebaut, Businesspartner eingeführt und eine Projektleiterin für HR-Digitalisierungsvorhaben ernannt. Sie alle leisten wertvolle Beiträge, damit wir künftige Herausforderungen meistern.

Für die Rekrutierung gibt es verschiedene Arten der Kandidat*innen-Ansprache. Ob gedruckt in der Zeitung, desktop- und mobile-optimiert auf Jobportalen oder als Post auf Social Media: die Stellenanzeige hat nach wie vor ihre Daseinsberechtigung. Was macht für Sie ein gutes Stelleninserat aus?
Ungebrochen ist der Wunsch nach einem klaren Beschrieb der Aufgaben, Anforderungen und unseres Angebots. Mit Bildern sollen Emotionen geweckt und idealerweise unsere Kultur vermittelt werden. Aktuell überarbeiten wir unsere Stelleninserate. Wir werden sie im Spätsommer 2022 neu lancieren.

Was werden Sie ändern?
Wir bekommen von Bewerbenden immer wieder das Feedback, dass die Informationen im Stelleninserat recht umfangreich sind. Das mag sein, dennoch haben wir noch viel Luft nach oben. Wir möchten progressiver im Auftritt sein und in den Inseraten eine klare Unterscheidung zwischen Print und online sehen. Weiter sind wir der Überzeugung, dass es wichtig ist, den Bewerbenden aufzuzeigen, was wir bieten. Und auch in der Bildwelt möchten wir Fortschritte erzielen. Und natürlich brauchen wir eine Stellenbörse. Im Moment haben wir nur eine Auflistung aller offenen Positionen, das dürfen wir ja fast nicht sagen – als E-Commerce-Anbieter!

Lohntransparenz wird immer wichtiger. Wie stehen Sie zu Lohnangaben im Stelleninserat?
Wir stellen fest, dass die öffentliche Hand ihre standardisierten Lohnklassen im Stelleninserat publiziert. Beim Salär können wir aufgrund unseres Geschäftsmodells mit engmargigen Produkten und unserer Standorte oft nicht mit internationalen Grosskonzernen in Zürich, Basel oder auch Zug mithalten. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass das Gehalt nicht der wichtigste Punkt ist. Als Entgelt für die geleistete Arbeit gehören neben dem Salär auch die Benefits und weitere Leistungen, wie die Unternehmenskultur, dazu – wie soll das monetär abgebildet werden? Wenn wir der Meinung sind, dass ein*e Kandidat*in, trotz zu hohem Salärwunsch, interessant ist, suchen wir das Gespräch. Das wird in der Regel geschätzt. Wir möchten den Weg mit Lohnangaben im Inserat deshalb vorerst noch nicht gehen.

Was spricht dafür, was dagegen?
Dafür spricht die Transparenz, doch trivial ist das nicht. Wird in einer Stellenanzeige eine Gehaltsspanne angegeben, ist kaum jemand mit dem unteren Ende zufrieden. Wiederum setzt eine Gehaltsangabe voraus, dass für Stellen ein Lohnband existiert. Da hätten viele Unternehmen zuerst noch ihre Hausaufgaben zu machen – auch wir! Benefits und weitere Rahmenbedingungen wie Weiterbildungsmöglichkeiten, Einkaufskonditionen, Zeitflexibilität, Ferien usw. müssten umgerechnet werden, was in der Praxis häufig unmöglich ist.

Viele Firmen pflegen intern eine Du-Kultur. In der Stellenanzeige ist die Du-Ansprache aber noch nicht überall angekommen. Was hat Sie dazu bewogen, bereits im Stelleninserat zu duzen?
Passt es wirklich zur gelebten Kultur? Bei BRACK.CH ist es seit Jahrzehnten so, dass von den Lernenden bis zum Inhaber alle per Du sind. Als ich vor knapp fünf Jahren zur Firma gestossen bin, wurde genau die von Ihnen gestellte Frage diskutiert. Stellensuchende hatten meines Erachtens Mühe mit dem Du. Nachdem ich mit Mitarbeitenden sprechen und mir ein Bild der Unternehmenskultur machen konnte, stand der Entscheid aber fest. Die Unternehmensleitung hat es begrüsst und unterstützt. Es passt zu uns und transportiert intuitiv unsere Kultur.

Genauso wichtig wie die Ansprache und Gewinnung von neuen Mitarbeitenden ist, dass diese sich im Unternehmen wohlfühlen und bleiben. Das beginnt bei der Einführung der neuen Kolleginnen und Kollegen. Was bedeutet gelungenes Onboarding für Sie?
Dass sich die neuen Mitarbeitenden rasch in ihrem neuen Umfeld wohlfühlen. «Ankommen» – nicht nur physisch, sondern sich auch mit Freude in ihrem neuen Umfeld bewegen. Dazu gehören die Identifikation mit dem Arbeitgeber, Freude am Job, aber vor allem auch die Arbeitskolleg*innen und Führungsverantwortlichen.

Wer übernimmt den Lead beim Onboarding? Die Linie oder HR?
Unser Onboarding-Prozess ist zweistufig: Es gibt ein Einführungsprogramm für alle neuen Mitarbeitenden, und die Vorgesetzten der Linie gestalten spezifische, auf die Funktion gerichtete Schulungen. HR übernimmt heute viele Aufgaben. In Zukunft möchten wir die Linie stärker in die Verantwortung nehmen. Neue Mitarbeitende einzuführen, ist eine wichtige Führungsaufgabe, die HR zwar zentral steuern, aber den Führungskräften weder abnehmen kann noch will.

In der letzten Zeit gab es vermehrt die Empfehlung oder sogar die Pflicht, nach Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten. Wie sieht rein digitales Onboarding bei BRACK.CH aus und welche Tools verwenden Sie?
Nach der Vertragsunterzeichnung erhalten die neuen Mitarbeitenden Zugang zur App «COMPLive» respektive Beekeeper, worüber Neuigkeiten an die firmeninterne Öffentlichkeit kommuniziert werden. Auf diese Weise fühlen sich angehende Mitarbeitende schnell als Mitglieder unserer Organisation, und wir bringen so auch unser Vertrauen zum Ausdruck. Bereits vor dem ersten Arbeitstag erhalten neue Mitarbeitende zudem zielgruppenspezifische Informationen zum Eintritt. Demnächst starten wir mit einer Onboarding-App von Haufe. Diese begleitet neue Mitarbeitende ab Vertragsunterzeichnung bis zum Ende der Probezeit. Onboardees erhalten darüber Infos zu ihrem Stellenantritt, zu Arbeitsort und -umgebung. Ab dem ersten Arbeitstag unterstützt die App die neuen Mitarbeitenden beim Zurechtfinden. Vorgesetzte sind ebenfalls aktiv in die App eingebunden und haben jederzeit den Überblick über die bereits an die Onboardees ausgespielten Informationen und Aufgaben. Bei Stellenantritt produzieren wir kurze Vorstellungsvideos mit den neuen Mitarbeitenden – vor Ort in Mägenwil oder remote – und publizieren sie an die gesamte Belegschaft. Damit fördern wir auf unkomplizierte Weise das Kennenlernen. Während der Probezeit werden die neuen Mitarbeitenden mit Schulungen begleitet, die im Vorfeld mit den Vorgesetzten definiert werden. Diese Schulungen sind Teile unseres internen Aus- und Weiterbildungsprogramms «COMPAcademy» und werden über ein Learning-Management-System gesteuert, das wir demnächst implementieren.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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