Experten-Interviews

Personalmarketing: «Mehr H in HR»

Die HR-Arbeit verändert sich laufend. Neue Bereiche innerhalb von HR kommen auf und werden wichtiger. Mit Personalmarketingexperte Jörg Buckmann sprechen wir über neue HR-Kompetenzen und den Stellenwert von Menschlichkeit.

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Kevin Hofer

 

Kevin Hofer war Chefredaktor des HR-Magazins personalSCHWEIZ.

Personalmarketing

personalSCHWEIZ: Herr Buckmann, über welche Kompetenzen müssen HR-Verantwortliche heute verfügen?

Jörg Buckmann: Wichtig sind neben den typischen HR-Fachkompetenzen Kenntnisse des Geschäfts. HR reklamiert für sich selbst immer, ein Business-Partner zu sein. Deshalb denke ich, ist ein gewisses Wissen, wie das Unternehmen funktioniert und was für Produkte es anbietet, unerlässlich. Wichtig ist zudem der Umgang mit Veränderungen. Heute spricht alles von der digitalen Revolution und wie stark diese unsere Welt verändert. Das ist aber gar nichts Neues. Veränderungen hat es schon immer gegeben. Wichtig beim Umgang mit Veränderungen ist, wie man die Mitarbeitenden für Veränderungen abholt. Dazu gehört auch das Nehmen der Angst vor Veränderungen. Das kann durch offene Kommunikation passieren. Gute HR-Verantwortliche sind deshalb primär gut in der Kommunikation, verfügen über Medienkompetenz und – auch wenn das veraltet klingt – haben Menschen gern.

Was meinen Sie genau damit?

Ich persönlich habe das Gefühl, dass einige Personaler ein negatives Menschenbild haben. Das führt dazu, dass in vielen Unternehmen keine Vertrauenskultur herrscht. Wenn man immer vom Negativen im Menschen ausgeht, kann man kein Vertrauen schenken. Es braucht mehr H in HR. Gerade jetzt in der Zeit der digitalen Helfer. Das Menschliche sollte definitiv in den Mittelpunkt gestellt werden. Schauen wir noch kurz zurück.

«Es wird eine wichtige Rolle von HR sein, den durch die regulatorischen Prozesse ­verlorenen Freiraum für eigene Entscheidungen wieder zu schaffen.»

Was hat sich in den letzten Jahren in Bezug auf HR-Kompetenzen verändert?

Es gibt immer weniger HR-Generalisten und dafür mehr spezialisierte Personalverantwortliche. Was man auch bemerkt, ist, dass es mehr Quereinsteiger gibt, vor allem in leitenden Funktionen. Die klassische Karriereleiter hochklettern tun HR-Verantwortliche heute auch weniger. Ich persönlich finde es grossartig, wenn jemand vor und nach einer HR-Funktion etwas ganz anderes gemacht hat und macht. HR kann so nur gewinnen. Einerseits, weil Personen, die HR-Tätigkeiten neu ausüben, über ganz anderes Wissen verfügen. Andererseits können Personen, die das HR verlassen, der Funktion mehr Anerkennung verschaffen. Jeder, der mal im HR tätig war, weiss, dass es nicht einfach ist und dass man oft zwischen Stühlen und Bänken ist. In den letzten Jahren ist alles viel komplexer geworden. Erstaunlich ist, dass unglaublich viele unnötige Prozesse in den Unternehmen existieren. Das hat extrem zugenommen und nicht etwa wegen schweizerischen oder internationalen Gesetzen, sondern ein grosser Teil ist von den Unternehmen selbst gemacht. Das hat wieder mit dem Vertrauen in die Mitarbeitenden zu tun. Prozesse werden künstlich erschwert und kosten viel Geld. Es wird eine wichtige Rolle von HR sein, den durch die regulatorischen Prozesse verlorenen Freiraum für eigene Entscheidungen wieder zu schaffen. Das ist auch für den Unternehmenserfolg entscheidend.

Was für Kompetenzen werden ­künftig noch wichtig sein?

Das kann ich nicht sagen und möchte mir auch keine Prognose anmassen. Ich denke aber, dass das Tempo der Veränderungen nach wie vor hoch bleiben wird. Ob das Tempo noch schneller wird, kann ich aber nicht sagen.

Zu den neueren HR-Kompetenzen gehört auch das Personalmarketing. Was hat das genau mit der HR-Arbeit zu tun?

Dazu kurz die Definition von Marketing: Es geht darum, neue Kunden zu gewinnen und die bestehenden zu halten respektive zu Mehrkäufen zu animieren. Auf das Personalmarketing bezogen bedeutet das: Neue Mitarbeitende gewinnen und die guten bestehenden möglichst lange im Unternehmen halten und entwickeln. Fast alle internen Aktivitäten, die man dann nach aussen trägt, sind Personalmarketing. Im engeren Sinn versteht man primär die Personalgewinnung. Aber ein Arbeitszeitmodell oder Strukturen, die interessante Arbeit ermöglichen, können beispielsweise als Personalmarketing uminterpretiert werden.

Heisst das, dass HR mehr mit Marketing zusammenarbeiten muss?

Aus meiner Sicht ganz klar ja. Für mich ist es ein Mysterium, warum nicht mehr Unternehmen HR und Marketing zusammenlegen. Vor allem die Unternehmen, die sehr viel Kundenkontakt haben, also Dienstleistungserbringer, bei denen das Produkt die Mitarbeitenden sind. Stattdessen entscheidet man sich aufgrund des hohen Kostenfaktors, die HR-Abteilung der Finanzabteilung anzugliedern. Das ist meines Erachtens sehr kurzfristig gedacht.

Was für Kompetenzen braucht man, um gutes Personalmarketing zu machen?

Um Personalmarketing zu betreiben, muss man eigentlich nichts von HR verstehen. Verkaufstalent, Marketingwissen, Kommunikationsfähigkeit und eine gewisse Freude, mit Menschen zu arbeiten. Also tatsächliche Kompetenzen, die man im Marketing braucht. Wichtig ist zudem noch die Fähigkeit zum Brückenschlagen.

«Das meine ich mit mehr H in HR. Mehr gesunder Menschenverstand, mehr Menschlichkeit, gerade bei der Personalwerbung, würde vielen Unternehmen guttun.»

Was zeichnet denn gutes Personalmarketing aus?

Wenn alles aus einem Guss kommt. Also wenn ein Unternehmen nach aussen seine Produkte und Arbeitsstellen gleich bewirbt. Die Sprache, auch die Bildsprache, sollte dieselbe sein. Personen bewerben sich nicht für das HR, sondern für das Unternehmen. Potenzielle neue Mitarbeitende sollten sich mit dem Unternehmen identifizieren. Das ist häufig der Fall, wenn das HR gut mit der Kommunikation oder dem Marketing zusammenarbeitet. Von den Unternehmen, mit denen ich zusammenarbeite, sind das ca. 60 Prozent. Bei den anderen läuft das nicht so gut. Ein zweites wichtiges Merkmal guten Personalmarketings ist, wenn die goldene Regel eingehalten wird: Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst. Wenn man diese Regel beachten würde, würden viele Unternehmen schlagartig besseres Personalmarketing machen. Das wäre dann eben wieder das mehr H in HR.

Was meinen Sie genau damit?

Gerne gebe ich zwei Beispiele. Bei vielen Unternehmen ist es extrem schwierig, die HR-Abteilung zu erreichen, um eine Frage zu einem Job zu stellen. Gewisse Unternehmen haben zwar eine gute Karriereseite, aber man findet keinen Ansprechpartner. Das kommt aus der Überlegung, dass bitte ja niemand anrufen soll. Frei nach dem Motto: «Wir schreiben aus, und die sollen sich bewerben.» Diese Denkweise ist heutzutage, entschuldigen Sie bitte, eine Frechheit. Das ist, wie wenn man bei einem Produkt, das man verkauft, sagt: «Kauf das Ding! Frag nicht nach, wieso, kauf es einfach.» Schön, wenn man diese Einstellung haben kann, aber die meisten, die diese Einstellung haben, können sie sich nicht leisten. Das zweite Beispiel bezieht sich auf das Bewerben. Es wird heute davon gesprochen, das Bewerbungsschreiben abzuschaffen. Von vielen Personalern ist dann zu hören: «Das geht gar nicht! Ein bisschen bemühen müssen sie sich schon noch.» Ich kann diese Haltung gar nicht verstehen. Wenn jemand von mir eine Leistung bucht, beantrage ich auch nicht zuerst einen Betreibungsregisterauszug. Ich will ja das Geschäft, also gebe ich meine Kontaktdaten, um mit dem potenziellen Kunden in Kontakt zu treten. Das meine ich auch mit mehr H in HR. Mehr gesunder Menschenverstand, mehr Menschlichkeit, gerade bei der Personalwerbung, würde vielen Unternehmen guttun. Speziell in Bezug auf den Fachkräftemangel wäre das doch logisch. Der ganze Bewerbungsprozess muss einfacher werden und gleichzeitig menschlicher.

Lesen Sie das komplette Interview in der Sonderausgabe «HR-Kompetenzen» von personalSCHWEIZ. personalSCHWEIZ jetzt abonnieren

Zur Person

Jörg Buckmann hat seine Passion, Marketing und Kommunikation in Human Resources, zum Beruf gemacht. Er unterstützt Firmen und Behörden, die ihren Arbeitgeberauftritt wirkungsvoll verbessern wollen. Er ist aber auch als Speaker und Moderator tätig. Vor seiner Zeit als Berater war er mehr als acht Jahre Leiter Personalmanagement der Verkehrsbetriebe Zürich. Jörg Buckmann ist vielen auch als Blogger bekannt, der immer wieder mit pointierten Beiträgen rund um das Personalmarketing für Aufmerksamkeit in der HR-Community sorgt. Sein Fachbuch «Personalmarketing mit Frechmut und Können» gehört zu den meistverkauften Werken zu diesem Thema.

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