Experten-Interviews

April 2024

Personalentwicklung, Weiterbildung & Lernkultur: «Bei uns werden alle Mitarbeitenden gefördert»

Die Arbeitswelt wird dynamischer, Wissen veraltet schneller, und «lebenslanges Lernen» wird zur Normalität. Dies gilt auch für die 7300 Mitarbeitenden und 770 Lernenden der AMAG-Gruppe. Wir sprechen mit Nicole Jans, Leiterin HR Development beim grössten Schweizer Automobilunternehmen, über interne Weiterbildung, Lernkultur und die Messbarkeit von Entwicklungsmassnahmen. Wie sie ihre Mitarbeitenden für die Bewältigung der laufenden und anstehenden Veränderungen in der Automobilbranche fit macht, verrät sie im Interview.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

Personalentwicklung, Weiterbildung & Lernkultur

Frau Jans, welche sind die aktuell grössten Herausforderungen, mit denen Sie als Leiterin Personalentwicklung bei der AMAG konfrontiert sind?
Da gibt es sicherlich mehrere. Dazu muss ich jedoch anfügen, dass mein Verantwortungsbereich breit ist und neben der klassischen Personal- und Führungsentwicklung auch die Rekrutierung, das Employer Branding sowie das Talentmanagement beinhaltet. Aber lassen Sie mich auf die Frage zurückkommen. Eine Herausforderung ist die Beschaffung der Fachkräfte vor allem in den handwerklichen Berufen. Zudem befindet sich die AMAG in einem grösseren Veränderungsprozess. Hier gilt es, die Mitarbeitenden und die Führungskräfte rechtzeitig auf die Zukunft vorzubereiten und ihnen die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln, damit sie auch den neuen Anforderungen gerecht werden können.

Welchen Stellenwert hat die Personalentwicklung bei Ihrem Arbeitgeber?
Die Personalentwicklung hat bei der AMAG traditionellerweise einen hohen Stellenwert. Dabei investieren wir sowohl in die Ausbildung junger Menschen wie auch in die Weiterentwicklung unserer Fachkräfte. Unsere Mitarbeitenden dürfen dabei von einem breiten Angebot an internen und externen Aus- und Weiterbildungen bis hin zu CAS-Abschlüssen profitieren. Die AMAG ist sehr grosszügig bei der finanziellen Unterstützung der Weiterbildungswünsche und beteiligt sich zu einem wesentlichen Teil an den entsprechenden Kosten.

Inwiefern prägt die Mission und Vision der AMAG die Personalentwicklungsstrategie des Unternehmens?
Die AMAG hat eine klare Vision: Wir wollen uns zur führenden Anbieterin nachhaltiger individueller Mobilität entwickeln. Dafür brauchen wir nicht nur gute Produkte und Serviceleistungen, sondern auch ein starkes Team, das gemeinsam an einem Strang zieht und unsere Werte lebt. In einer Zeit des rasanten Wandels brauchen wir eine innovative und kollaborative Kultur, die uns ermutigt, neue Wege zu gehen und gemeinsam zu lernen, um unsere Vision zu verwirklichen. Die Personalentwicklung trägt wesentlich dazu bei, dass unsere Mitarbeitenden in der Lage sind, diesen Wandel aktiv zu gestalten.

Welche Massnahmen ergreift die AMAG, um eine Lernkultur im Unternehmen zu fördern und den Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitenden zu unterstützen?
Wie bereits erwähnt, stellen wir ein vielfältiges und auf die verschiedenen Zielgruppen abgestimmtes Lernangebot zur Verfügung, das allen Mitarbeitenden gleichermassen offensteht. Durch verschiedene Lernformate adressieren wir die unterschiedlichen Bedürfnisse ans Lernen. Gerade bei Berufsgruppen, die eher lernfern sind, ist es wichtig, die Einstiegshürde so gering wie möglich zu halten und dabei die Lust am Lernen durch kleine und praktische «Lernhäppchen» zu fördern. Wir bieten auch Peer Coachings, Shadowings oder Mentoring- und Ambassadorenprogramme an. Diese stellen sicher, dass der Austausch auch über die einzelnen Business Units hinweg erfolgt.

In Ihrer Personalentwicklungsleitlinie steht «Leistungsstärkung durch Karriereförderung» – was bedeutet dies konkret?
Konkret sprechen wir hier unser Talentmanagement an, welches wir in den letzten Jahren kontinuierlich auf- und ausgebaut haben. In der AMAG bieten wir eine grosse Vielzahl an unterschiedlichen Berufen an vom Automobildiagnostiker über den Data Scientist Consultant bis hin zum Senior UX-Manager oder Zubehörspezialisten. Dies bietet den Mitarbeitenden die einmalige Chance, ihren Karriereweg intern zu beschreiten, sei es in einer Führungs- oder in einer Fachkarriere. Mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten sind häufig der Grund, warum Mitarbeitende ein Unternehmen verlassen. Dem wollen wir durch das erwähnte Angebot entgegenwirken und so die AMAG insgesamt stärken.

Werden in Ihrem Unternehmen im Sinne eines Talentmanagements nur die «vielversprechendsten» Mitarbeitenden gefördert, oder werden alle weitergebildet?
Grundsätzlich werden bei uns alle Mitarbeitenden gefördert und weitergebildet. Die technologischen Veränderungen lösen momentan grosse Umbrüche in der Automobilbranche aus. Dies hat ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf die Berufsbilder, wo neue Skills und Kompetenzen gefragt sind. In einem solchen Umfeld müssen wir als Unternehmen sicherstellen, dass wir alle Mitarbeitenden auf die Reise mitnehmen, ansonsten werden wir zukünftig Mühe haben, unsere Dienstleistungen weiterhin in der gewohnten Qualität und Professionalität zu erbringen.

Selbstverständlich legen wir ebenfalls einen speziellen Fokus auf unsere Talente, sei dies bei den Lernenden, bei Fachpersonen oder bei Führungskräften. Hier geht es vor allem darum, diese Personen auf ihrer Entwicklungsreise eng zu begleiten und ihnen den Schritt in eine nächste Funktion zielgerichtet zu ermöglichen.

Wie unterstützt die AMAG ältere Mitarbeitende dabei, leistungsfähig zu bleiben und ihre Erfahrungen optimal einzubringen?
Bei der AMAG kennen wir die sogenannte Altersguillotine nicht. Was heisst das konkret? Bei uns werden Mitarbeitende unabhängig ihres Alters gefördert und weiterentwickelt. Für uns zählt die Einstellung der Person und ihr Wille, dazuzulernen, ganz im Sinne des «Life Long Learnings». Dass dies rege genutzt wird, darf ich beispielsweise in den Leadership-Kursen feststellen, wo wir bunt gemischte Gruppen antreffen und Altersspannen von Ende 20 bis weit über 50 aufweisen. Sie können sich vorstellen, dass sich der Austausch in einem solchen Team als besonders bereichernd und wertvoll herausstellt.

Darüber hinaus haben wir einige spezielle Programme für ältere Mitarbeitende entwickelt, z.B. im Bereich Umgang mit digitalen Tools. Es ist uns jedoch ein grosses Anliegen, allen dieselben Möglichkeiten zu bieten und keine «Altersdiskriminierung» – auch wenn dies gut gemeint ist – zu betreiben.

Wie integrieren Sie Quereinsteiger*innen in Ihre Personalentwicklungsstrategie, und welche Unterstützung erhalten diese, um sich erfolgreich in ihre neuen Rollen einzuarbeiten?
Quereinsteiger*innen erhalten wie alle Mitarbeitenden ein ausführliches Onboarding und Einarbeitungsprogramm. In der Zwischenzeit bietet die AMAG für spezifische Berufsgruppen sogenannte Bootcamps an, wo die Mitarbeitenden sorgfältig auf ihre Rolle vorbereitet werden. In vielen Bereichen gibt es auch das sogenannte Buddy-System, wo erfahrene Fachpersonen den Einsteigern mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Wie misst die AMAG die Wirksamkeit ihrer Entwicklungsmassnahmen?
Wir haben ein grosses Repertoire an Kennzahlen und ein Cockpit, das wir regelmässig auswerten.

Welche Kriterien werden herangezogen, um den Erfolg dieser Massnahmen zu bewerten?
Eine wichtige Kennzahl ist die Kundenzufriedenheit, die Ergebnisse der Mitarbeitendenumfrage, wo z.B. die Mitarbeitenden explizit zur Führungsleistung befragt werden. Die interne Besetzungsrate mit Talenten, die Übernahmequote der Lernenden usw.

Ihr Unternehmen engagiert sich stark in der Ausbildung. Welche Ziele verfolgen Sie in diesem Bereich für die Zukunft?
Die AMAG-Gruppe verfolgt das Ziel, durch ihre Ausbildungsprogramme Fachkräfte zu entwickeln, die sowohl über das technische Know-how als auch über die innovativen Denkweisen verfügen, die erforderlich sind, um auf die sich schnell verändernden Anforderungen der Automobilindustrie, insbesondere im Bereich der Elektromobilität und nachhaltigen Technologien, zu reagieren. Dazu gehört die Förderung von Kompetenzen in den Bereichen Elektrotechnik, Mechatronik, Softwareentwicklung und Nachhaltigkeit.

Welche Bedeutung haben junge Köpfe für die AMAG-Gruppe in Bezug auf Ihre Innovations- und Entwicklungsstrategien?
Junge Talente sind für uns von entscheidender Bedeutung, da sie frische Ideen, neue Perspektiven und ein angeborenes Verständnis für digitale Technologien mitbringen. Diese Eigenschaften sind unerlässlich, um innovative Lösungen zu entwickeln, die Effizienz zu steigern und die Nachhaltigkeit in allen Geschäftsbereichen zu verbessern. Junge Köpfe treiben die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle voran und unterstützen die AMAG dabei, führend in der Transformation der Automobilindustrie zu sein.

Welche Ausbildungsberufe bietet die AMAG-Gruppe derzeit an, und wie sind diese auf die Zukunft der Branche ausgerichtet?
Wir bieten traditionell eine Vielzahl von Ausbildungsberufen an, die von Automobil-Mechatronikern über kaufmännische Ausbildungen bis hin zu Logistik- und IT-bezogenen Berufen reichen. Diese Berufe sind strategisch auf die Zukunft der Branche ausgerichtet, indem sie ein tiefes Verständnis für Elektromobilität, digitale Transformation und umweltfreundliche Technologien fördern. Die Ausbildungsinhalte werden kontinuierlich aktualisiert, um den neuesten technologischen Entwicklungen und den Anforderungen des Markts gerecht zu werden.

Welche Motivation steckt hinter der Entscheidung, ab 2024 Solarinstallateure und -installateurinnen sowie Solarmonteure und -monteurinnen EFZ auszubilden?
Die Entscheidung, ab 2024 Solarinstallateure und -monteure EFZ in der Helion Energy AG auszubilden, spiegelt das Engagement der AMAG- für Nachhaltigkeit und ihre Vision einer grüneren Zukunft wider. Durch diese Ausbildungsinitiative zeigt das Unternehmen sein Bestreben, aktiv zur Energiewende beizutragen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Die Ausbildung dieser^Fachkräfte wird nicht nur den Bedarf an qualifizierten Mitarbeitenden in einem wachsenden Sektor decken, sondern auch das Angebot der AMAG-Gruppe erweitern, indem sie Lösungen für die Zukunft und nachhaltige erneuerbare Mobilität anbietet.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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