Experten-Interviews

Ausgabe November 07/2015

Performance Management: Leistung durch Anreize steuern

Ein professionelles Performance Management fördert die Leistung des Unternehmens und der Mitarbeitenden. Vergütungsexperte Urs Klingler sagt, was es im Umgang mit Leistungsanreizen, Leistungsindikatoren und Zielvereinbarungen zu beachten gilt.

Von: Ralph Hofbauer   Teilen  

Ralph Hofbauer

Ralph Hofbauer war Chefredaktor des HR-Magazins personalSCHWEIZ.

 

Performance Management

personalSCHWEIZ: Herr Klingler, benötigt jedes Unternehmen, das erfolgreich sein möchte, ein Performance Management?

Urs Klingler: Das ist in erster Linie eine Frage der Haltung. Vorgängig stellt sich nämlich die Frage, ob die Leistung eines Unternehmens überhaupt beinflussbar ist. Wer dies nicht glaubt, der benötigt auch kein Performance-Management-System. Unternehmen, die hingegen überzeugt sind, dass Leistung lenkbar und beeinflussbar, also gewissermassen «machbar» ist, benötigen ein solches System. Performance Management stei­gert die Qualität von Dienstleistungen und Produkten und kann zum Beispiel auch die Informatik eines Unternehmens positiv beeinflussen. Wer zudem daran glaubt, dass das Humankapital ein ent­scheidender Wettbewerbsfaktor ist, der versucht, die Unternehmensleistung auch über die Messung und die Steue­rung der Leistung der Mitarbeitenden zu verbessern.

Welche Komponenten umfasst ein professionelles Performance-Management-System?

In der Regel haben Firmen mehrere Per­formance-Management-Systeme. Viele Unternehmen setzen auf das Planungs-und Managementinstrument Balanced Scorecard (BSC), um Kennzahlen mit der Vision und Strategie des Unternehmens auf übergeordneter Ebene zu erfassen und die Unternehmensleistung auf die strategischen Ziele auszurichten. Zudem gehören auch Controlling-Systeme zu einem professionellen Performance Ma­nagement. Um die Performance der Mit­arbeitenden zu messen und zu steuern, wird in der Regel das System Manage­ment by Objectives (MbO) – das Führen über Zielvereinbarungen – eingesetzt.

Ist das Führen mit starren Zielver­einbarungen in den unsicheren Zeiten, die wir gerade erleben, denn überhaupt noch zeitgemäss? Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass zu dem Zeitpunkt, an dem die Zielvereinba­rungen mit der untersten Ebene ab­geschlossen werden, die Gesamtziele bereits überholt sind ...

Dass Ziele regelmässig diskutiert und an veränderte Rahmenbedingungen ange­passt werden, ist zweifelsohne sinnvoll und je länger, je mehr auch zwingend nötig. Viele Unternehmen sind ja jetzt gerade dabei zu lernen, dass ihre Perfor­mance nicht nur von der eigenen Leistung abhängt, sondern auch vom Umfeld, der Marktlage und von Einflüssen, die aus­serhalb des eigenen Beeinflussungsbe­reichs liegen. Ein aktuelles Beispiel ist die Aufhebung des Euro-Mindestkurses vom vergangenen Januar, ein Ereignis, das die Zielsetzungen von vielen Schweizer Un­ternehmen ins Wanken gebracht hat.  

«Ziele zu setzen, verbindlich zu vereinbaren und mit dem Mitarbeitenden zu besprechen, ist eine permanente und wichtige Führungsaufgabe. Da sehe ich viel Verbesserungspotenzial.»

Welche Fehler werden in Bezug auf die Zielsetzungen in der Praxis häufig begangen?

Ich stelle in diesem Kontext verschiedens­te Fehler fest. Zum einen sind die Zielvereinbarungssysteme häufig viel zu kom­pliziert und nicht stringent aufgebaut. Zum anderen sind vielfach verschiedene Personalprozesse wie Entwicklung, Feed­back, Führung und Leistung im Zielvereinbarungssystem durchmischt. Hinzu kommt, dass die Führungsskills bei Füh­rungskräften häufig zu wenig ausgeprägt sind. Ziele zu setzen, diese verbindlich zu vereinbaren und mit dem Mitarbeitenden zu besprechen, ist eine permanente und wichtige Führungsaufgabe. Da sehe ich viel Verbesserungspotenzial. Darüber hi­naus ist die Koppelung des Performance-Management-Systems an die variablen Komponenten der Vergütung häufig will­kürlich oder schwer nachvollziehbar. Dies führt für alle Beteiligten zu Irritationen und Missverständnissen. Auch hier gibt es grosses Entwicklungspotenzial. Die An­nahme, dass alle Beteiligten Verbindlich­keit und Klarheit wollen, ist grundsätzlich jedoch falsch. Führungskräfte und Mitar­beitende haben zum Teil nämlich diver­gierende Zielsetzungen. Das heisst, dass sie ihre Verteidigungspositionen für den Misserfolg frühzeitig aufbauen.

Um die Leistung der Mitarbeitenden messen zu können, muss das Zielvereinbarungssystem mit einem Beurteilungssystem verbunden wer­den. Hierfür sind bestimmte Leis­tungsindikatoren nötig. Was gilt es bei der Wahl dieser Indikatoren zu beachten?

Viele Unternehmen haben leider nur we­nig Wissen darüber, mit welchen Indika­toren Leistung ausgewogen gemessen werden kann. Häufig werden zu viele oder die falschen Indikatoren eingesetzt oder es werden zu viele qualitative Fak­toren berücksichtigt. Solche «weichen» Faktoren sind grundsätzlich auch wich­tig, jedoch schwieriger beurteilbar. Aus­serdem gilt es, die jeweils relevanten In­dikatoren für die jeweiligen Funktionen festzulegen. Dabei ist stets darauf zu ach­ten, dass die Leistungsindikatoren objek­tiv messbar und nicht manipulierbar sind. Zudem sollten sie für die Mitarbeitenden nachvollziehbar sein, damit sie von diesen auch akzeptiert werden.

«Die Koppelung des Performance-Management-Systems an die variable Vergütung ist in der Praxis häufig willkürlich.»

Die Leistungsbeurteilung führt häufig zu Konflikten zwischen der kurzfristigen und der langfristigen Zielerreichung. So können Mitarbei­tende etwa durch das Unterlassen von Investitionen kurzfristige Ziele erreichen, dem Unternehmen da­durch aber langfristig Schaden zufügen. Wie lassen sich solche negativen Effekte verhindern?

Ja, solche Effekte treten tatsächlich häu­fig auf, denn zu viele Zielsetzungen ver­derben quasi den Brei. Kurzfristige Ziele führen dazu, dass der operative Betrieb und die Qualität auf einem hohen Stand bleiben, während sich die Leistung bei den längerfristigen Zielen – und teilwei­se auch die aktuelle operative Leistung – verschlechtert, weil Systeme und Prozesse angepasst oder systembedingt geändert werden müssen. Das ist ein permanenter Konflikt, der von den Mitarbeitenden und den Führungskräften in einem kontinu­ierlichen iterativen Prozess gemeinsam bewältigt werden muss. Wie viel Auf­merksamkeit diesem Prozess geschenkt wird, ist letztlich eine Frage der Prioritä­ten.

Leistungsanreize in Form von vari­ablen Vergütungen können Mitarbeitende dazu motivieren, die ver­einbarten Ziele zu erreichen. Eignen sich monetäre Anreize für Mitarbei­tende in allen Funktionen?

Hier stellt sich die Frage nach dem Wert der jeweiligen Arbeit, also dem Wertbeitrag des Einzelnen zum Unternehmens­erfolg. Dieser ist natürlich nicht für jede Funktion gleich einfach zu bestimmen, zudem sind die Präferenzen der Mitar­beitenden in Bezug auf die Vergütung sehr unterschiedlich. Bei den variablen Vergütungen gilt es zu berücksichtigen, wie die Menschen reagieren, wenn sie für eine Leistung Geld erhalten. Hier stellt sich die Frage: Wann wird dem Geld mehr Bedeutung beigemessen als den Interes­sen des Unternehmens? Mitarbeitende geraten aufgrund der in der vorangehen­den Frage thematisierten Effekte immer wieder in solche Interessenkonflikte und entscheiden sich im Zweifelsfall häufig für den eigenen Profit.  

Spätestens seit der Debatte um die «Abzocker-Initiative» hat man das Gefühl, dass Leistung und Vergütung auf vielen Teppichetagen in keinem Zusammenhang stehen. Funktio­nieren Bonuszahlungen überhaupt noch als Leistungsanreiz?

Eine spannende Frage. Abgesehen vom Mehraufwand, der für die Unternehmen entstanden ist, hat die «Minder-Initiative» vor allem dazu geführt, dass die Löhne gestiegen sind. Das ist bei einer Erhöhung der Transparenz in der Vergütung ein vo­raussehbarer und bekannter Effekt. Der Kampf der Unternehmen um Talente und erfahrene Topmanager ist natürlich ein sehr spezieller Wettbewerb, der nicht di­rekt mit der Leistung zu tun hat, sondern vielmehr mit marktfähigen Gesamtvergütungspaketen. Grundsätzlich ist es jedoch falsch, wenn variable Gehaltsbestandtei­le als garantiert deklariert werden. Durch die Abstimmungen an der Generalver­sammlung können variable Vergütun­gen auch prospektiv – das heisst auf die Zukunft ausgerichtet – bewilligt werden. Dies kann dazu führen, dass das bewillig­te Budget auch zugeteilt wird. Dadurch entsteht ein gewisser Zwang, die bewil­ligten Boni auch bei einer ungenügenden Leistung auszurichten.

«Leistungsbereite Mitarbeitende wollen am Erfolg teilhaben.»

Welche Trends beobachten Sie in Schweizer Unternehmen zurzeit im Bereich der variablen Vergütung und wo sehen Sie noch Optimierungs­potenzial?

Im internationalen Kontext ist die leis­tungsorientierte Vergütung längst gang und gäbe. Auch in der Schweiz hat sich die variable Vergütung mittlerweile in fast allen Branchen durchgesetzt, ausser bei der öffentlichen Hand. Leistungsbereite Mitarbeitende wollen am Erfolg teilhaben – wie auch immer dieser im Einzelfall definiert ist. Die Konzepte, Strukturen, Prozesse und die Qualität der Zuteilung müssen sich jedoch in fast allen Branchen weiter verbessern. Positiv ist, dass die rein diskretionären Konzepte, bei denen die variable Vergütung statt von objektiven Leistungsindikatoren von einer beurtei­lenden Instanz bestimmt wird, grössten­teils ausgedient haben.  

Das Mitarbeitergespräch, in dessen Rahmen die Leistungsbeurteilung stattfindet, wird vielerorts als lästige Pflicht wahrgenommen und gerät zurzeit zunehmend in die Kritik. Firmen wie Adobe oder Microsoft haben das Instrument mittlerweile abgeschafft und durch Alternativen ersetzt. Wie beurteilen Sie dieses In­strument?

Ich kann nachvollziehen, dass immer wieder über den Sinn von Mitarbeiter­ gesprächen diskutiert wird und dass es teilweise mühsam ist, diese Gespräche zu führen. Positiv formuliert, ist dies ei­ne weitere Möglichkeit, Führungsqualität zu verstehen und zu verbessern. Natür­lich stellt sich die Frage, wieso ich mich als Mitarbeitender mit meinem Vorge­setzten zusammensetzen soll, wenn das Gespräch keine Relevanz hat, weder für die Vergütung noch für meine Entwick­lung oder meine Tätigkeiten. Wenn das Gespräch hingegen für alle diese Punk­te relevant ist, macht es durchaus Sinn. Deshalb glaube ich, dass es vor allem von der konkreten Umsetzung im Betrieb ab­hängt, ob dieses Instrument als sinnvoll wahrgenommen wird.  

Kann ein gezieltes Performance Management auch helfen, HR-Risiken zu minimieren?

Durchaus, da die Prozesse im Rahmen des Performance Management die Personal­planung unterstützen. In vielen Unterneh­men lassen es fehlende Kenntnisse der vorhandenen Funktionen nämlich nicht zu, eine funktionierende strategische Personalplanung zu etablieren, und dies ist ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die Unternehmung. Deshalb gilt es, die leistungs- und entwicklungsbereiten Mitarbeitenden frühzeitig zu identifizie­ren und mit ihnen Entwicklungsmöglich­keiten zu besprechen und zu vereinbaren. Zudem sorgt ein gutes Performance-Management-System dafür, dass Mitar­beitende leistungsorientiert, marktge­recht und fair entlöhnt werden.          

Zur Person

Urs Klingler gründete 2010 die klingler consultants ag und leitet das Unterneh­men als Managing Partner. Er engagiert sich seit vielen Jahren für die Messung des Wertbeitrags der Mitarbeitenden im Unternehmen und die Ausgestaltung von nachhaltigen Anreizsystemen. Nach dem Abschluss seines Studiums an der Univer­sität Bern und einem Master in HR sowie Weiterbildungen bekleidete Urs Klingler verschiedene Personalfunktionen. Im Rahmen der letzten 25 Jahre Berufser­fahrung als interner und als externer Berater und in diversen Führungsfunk­tionen sammelte er umfassende Kennt­nisse und Erfahrungen in verschiedensten Industrien. Urs Klingler ist Lehrgangslei­ter des CAS «Compensation & Benefits Management». Zudem ist er Autor der Bücher «Compensation & Benefits Ma­nagement» und «Personalcontrolling & Performance Management» sowie zahl­reicher Fachartikel.

www.klinglerconsultants.ch

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