Experten-Interviews

Ausgabe Februar 01/2016

Integration 50+: Über 50-Jährige bringen Stabilität

Ältere Arbeitnehmer haben auf dem Arbeitsmarkt einen schweren Stand. Unternehmensberaterin und Managementcoach Stefanie Seiz sagt, weshalb sich Unternehmen stärker um über 50-Jährige bemühen sollten.

Von: Wolf-Dietrich Zumach   Teilen  

Wolf-Dietrich Zumach

Wolf-Dietrich Zumach ist nach diversen Führungspositionen in Verlagen seit 2004 selbständiger Berater für Medienunternehmen. Als Entwickler und Ideengeber hat er ein starkes Interesse für innovative Querdenker und Businessideen. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Verlags-Know how und hat seit 2007 für WEKA Business Media schon weit über 100 Fachinterviews im Print-, Audio- und Videoformat durchgeführt und produziert.

Integration 50+

personalSCHWEIZ: Frau Seiz, laut einer SECO-Studie haben wir in der Schweiz im Vergleich zu anderen OECD-Ländern zwar eine Rekord-beschäftigungsquote bei den über 50-Jährigen, die Wiedereinstellungs­quote bei den Arbeitslosen ist in dieser Altersgruppe aber weit unter dem OECD-Durchschnitt. Woran könnte das liegen?

Stefanie Seiz: Das liegt wohl daran, dass die über 50-Jährigen sich sehr gut am bestehenden Arbeitsplatz beweisen können, denn hier zeigen sie ihre Leistung tagtäg­lich. Das fällt ihnen wesentlich leichter, als sich auf dem Arbeitsmarkt zu beweisen, denn diese Generation ist in einem nicht-kompetitiven Arbeitsmarkt gross gewor­den. Der durchschnittliche Stellensuchen­de sucht heute 140 Tage, Personen über 50 sind im Schnitt jedoch 200 Tage auf Jobsuche. Deshalb ist es speziell wichtig, sich seiner Kompetenzen bewusst zu sein und diese im CV oder im Bewerbungsge­spräch entsprechend zu verkaufen. Dies ist eine ganz andere Aufgabe, als Leistung zu zeigen. Im Outplacement hören wir oft Aussagen wie: «Die müssen halt einmal mit mir zusammenarbeiten, dann sehen sie, was ich leisten kann.» An diesen Punkt kommen viele über 50-Jährige im Bewerbungsprozess aber erst gar nicht. Hinzu kommt, dass der Arbeitsmarkt in vielen anderen OECD-Ländern schon im­mer wesentlich wettbewerbsorientierter war als in der Schweiz.  

Immer wieder hört man, dass ältere Arbeitnehmende zu teuer und zu unflexibel sind. Stimmt das?

Solche Vorstellungen sind weitverbreitet, doch valable Studien belegen, dass dem nicht so ist. Ich möchte ein Beispiel aus unserer eigenen Organisation geben: Wir haben – und dies ganz bewusst – einen Altersdurchschnitt von knapp 50 Jahren. Unsere älteren Mitarbeitenden sind flexi­bel, motiviert und zuverlässig und haben ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein. Durch die in dieser Altersgruppe gerin­gere Fluktuationsrate bringen sie zudem auch eine hohe Stabilität in unsere Orga­nisation. Natürlich sind diese Mitarbeiten­den durch ihre höheren Pensionskassen-beiträge etwas teurer, aber dafür haben wir auch niedrigere Rekrutierungskosten.  

«Wer die Altersgruppe Ü50 gut integriert, hat einen sehr loyalen Mitarbeiterstamm, der Kontinuität und Stabilität ins Unternehmen bringt.» 

Sind ältere Mitarbeitende weniger produktiv als jüngere?

Auch dies ist ein weitverbreitetes Vorur­teil. Dazu ein Beispiel aus einem Finanz­institut, das ich selbst beraten habe: Dort gab es zwei Teams, welche die gleichen Aufgaben zu erledigen hatten. Das eine Team war im Schnitt wesentlich jünger als das andere. Das jüngere Team hat sich immer darüber beklagt, dass das ältere Team unproduktiver sei. Dann haben wir einheitliche Kriterien zur Produktivitäts­messung aufgestellt, mit denen alle Invol­vierten einverstanden waren. Bei der Aus­wertung der Messergebnisse hat sich – für die meisten sehr überraschend – gezeigt, dass beide Teams genau gleich produktiv waren. Die Jüngeren waren zwar schnel­ler in gewissen Abläufen, machten dafür aber auch wesentlich mehr Fehler, für deren Korrektur sie wiederum Zeit auf­wenden mussten. Zudem arbeiteten die Älteren nicht nur genauer, sondern auch konzentrierter, während die Jüngeren sich leichter ablenken liessen. An diesem Beispiel sieht man sehr deutlich, wie leicht wir uns von unserer subjektiven Wahr­nehmung täuschen lassen können. Die objektiven Messergebnisse sprechen eine andere Sprache. Allerdings muss sich die Altersgruppe Ü50 auch bewusst werden, dass es Veränderungen in der Lohnstruk­tur gibt, und ihre Lohnforderungen an den Markt anpassen. 

Sie begleiten Personen in der beruflichen Neuorientierung, dem so­genannten Outplacement. Welches sind hier die grössten Herausforde­rungen für ältere Kandidaten?

Erstens müssen sich unsere Kandidaten ihrer eigenen Kompetenzen bewusst werden, um sich selber verkaufen zu können, denn wie gesagt ist es schwierig, jahrelang gesammeltes Erfahrungswissen einem potenziellen neuen Arbeitgeber zu kommunizieren. Ganz konkrete Leis­tungsnachweise und Erfolgsausweise mit den entsprechenden dahinter liegenden Kompetenzen sowie ein daraus entwi­ckeltes Kompetenzportfolio spielen eine Schlüsselrolle. Ein weiterer Punkt ist, dass unsere Kandidaten einsehen müssen, dass sich der Arbeitsmarkt stark verändert hat: Klassische Wege wie Bewerbungen auf ein übliches Stelleninserat sind in die­ser Altersgruppe wegen der heute leider noch üblichen Altersvorselektion nicht sehr erfolgreich. Wesentlich erfolgreicher sind Aktivitäten und Initiativbewerbun-gen auf dem sogenannten versteckten Arbeitsmarkt, die über das eigene berufli­che Netzwerk laufen: rund 60–70 Prozent der erfolgreich abgeschlossenen Bewer­bungen werden bei den über 50-Jährigen über ein solches Netzwerk realisiert. Ich denke, 80 Prozent der Aktivitäten unse­rer Kandidaten müssen auf diesen Bereich des Arbeitsmarkts zielen, um erfolgreich eine neue Stelle zu finden.  

«Je grösser das Unternehmen, desto stärker liegt der Fokus bei der Rekrutierung auf Jüngeren.»

Stellen Sie in den Unternehmen all­mählich ein Umdenken bezüglich der Beschäftigung von älteren Mitarbei­tenden fest?

Die verstärkten Diskussionen über den demografischen Wandel unterstreichen, dass qualifizierte jüngere Mitarbeitende heute schon in bestimmten Branchen nicht mehr in dem Mass wie in früheren Jahren dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, aber vor allem zukünftig noch weniger zur Verfügung stehen werden. Dies hat zur Folge, dass in kleinen Schrit­ten ein erstes Umdenken in den Unternehmen bezüglich der Qualitäten von älteren Mitarbeitenden stattfindet. Das betrifft in der Hauptsache aber kleinere Unternehmen, wo der Kontakt zur Beleg­schaft noch sehr direkt ist. Etwas verall­gemeinernd ausgedrückt, gilt: Je grösser das Unternehmen, desto stärker liegt der Fokus bei der Rekrutierung auf Jüngeren. Ich bin mir aber zu 100 Prozent sicher, dass sich die Akzeptanz von über 50-jäh­rigen Mitarbeitenden in den nächsten Jahren deutlich verbessern wird. 

Lesen Sie das komplette Interview in der Februar-Ausgabe von personalSCHWEIZ

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Zur Person

Stefanie Seiz, Betriebsökonomin FH und dipl. Managementcoach, ist CEO, VR und Teilhaberin der cm-p AG. Das Unternehmen mit zehn Schweizer Standorten ist auf die Beratung und Prozessbegleitung von Unternehmen, Organisationen sowie Einzelpersonen in Veränderungsprozessen spezialisiert, insbesondere in den Bereichen Berufliche Neuorientierung/Outplacement, Generationenmanagement, Management/Talent Development und Organisationsentwicklung. Stefanie Seiz kann auf langjährige Führungserfahrungen zurückblicken, die sie u.a. als Mitglied der Geschäftsleitung und Leiterin einer Business Unit in einem internationalen Chemiekonzern gesammelt hat. Ihre Beratungserfahrungen stammen aus 12 Jahren Führungs- und Organisationsentwicklung in verschiedensten Branchen sowie als Kursleiterin für Gruppen-Outplacements. Zudem ist sie als Referentin für Führung und HR-Prozesse an verschiedenen Fachhochschulen und Fachschulen tätig.

www.cm-p.ch

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