Experten-Interviews

November 2019

HR und Unternehmensstrategie: «Jeder Mitarbeitende ist ein wichtiger Teil unserer Unternehmensstrategie»

Welchen Stellenwert hat HR in der Unternehmensstrategie von Unternehmen? Und wie kann sichergestellt werden, dass es nicht zu einem Interessenkonflikt kommt? Wir haben mit Nathalie Bourquenoud, Leiterin Human Development bei der Mobiliar Versicherung, über das Verhältnis des HR zur Unternehmensstrategie bei ihrem Arbeitgeber gesprochen. Im Gespräch erzählt sie ausserdem von den Herausforderungen, die eine Koexistenz von zwei unterschiedlichen Organisationsmodellen im selben Unternehmen mit sich bringt.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

HR und Unternehmensstrategie

Frau Bourquenoud, Sie sind nicht einfach HR-Leiterin, sondern Leiterin Human Development. Welches sind die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
In der Mobiliar betrachten wir die Mitarbeitenden nicht als Ressourcen. Wir schaffen Rahmenbedingungen für ihre Entwicklung: als Individuum, Team oder Organisation. Deshalb sind wir eine Human- Development-Organisation.

Gibt es neben der Mitarbeiterentwicklung noch andere Schwerpunkte in Ihrer Arbeit?
Auch die Organisationsentwicklung ist ein Schwerpunkt unserer Strategie Arbeitswelt. Es ist wichtig, dass wir die beiden Achsen parallel entwickeln: die Mitarbeitenden und die Organisation. Dies ist eine grosse Herausforderung. Wenn wir die Organisation zu rasch entwickeln und die Mitarbeitenden sich nicht «betroffen» fühlen, überfordern wir sie. Wenn wir Mitarbeitende entwickeln, ihnen jedoch nicht die Bedingungen einer agilen Organisation bieten, werden sie entweder die Organisation verlassen oder eine Schattenorganisation schaffen.

Sie haben Ihre berufliche Karriere in der Buchhaltung begonnen und sind via Finanzen und Controlling schliesslich im HR-Bereich gelandet. Was fasziniert Sie an diesem Berufsfeld?
Und dazwischen habe ich einige Jahre eine Bank geleitet. Ich finde es faszinierend, mehrere Berufe im Gepäck zu haben und jeden Tag dazuzulernen. Die Vielfalt dieser Erfahrungen hilft mir, die Bedürfnisse der Mobiliar besser zu verstehen.

Sie haben die Vielfalt an unterschiedlichen Aufgaben angesprochen, wie breit ist Ihr Aufgabengebiet bei der Mobiliar?
Ich glaube an die Vielfalt. Vielfalt der Aufgaben, Vielfalt der Menschen, Vielfalt der Teams. Je mehr Vielfalt es gibt, je unterschiedlicher die Standpunkte sind, desto grösser ist die Offenheit für neue Ideen, umso mehr Substanz haben die getroffenen Massnahmen. Bei der Mobiliar bin ich gemäss Organigramm für die «Personalabteilung» verantwortlich. In der agilen Organisation bin ich aber für die organisationale Transformation der Mobiliar zuständig. Mein erstes Programm in der Mobiliar war «work@mobiliar»: Mit einem interdisziplinären Team aus den Bereichen HR, Facility Management, IT und Corporate Social Responsibility haben wir das neue Arbeitsumfeld für die Entwicklung des Mindset Agilität der Mobiliar definiert und umgesetzt.

Was mögen Sie besonders an Ihrer Tätigkeit in der HR-Branche?
Als Chief Financial Offi cer habe ich die Vergangenheit analysiert. Als Chief Human Development Officer verändere ich die Zukunft des Unternehmens und bereite es darauf vor. Es ist spannend, die organisationale Transformation im digitalen Zeitalter zu erleben und aktiv mitzugestalten. Die Herausforderungen sind enorm, und strategische Massnahmen müssen Veränderungen bewirken.

Mit welchem Bereich im HR befassen Sie sich momentan am meisten?
Ganz klar mit der Digitalisierung. Wir denken nicht mehr in Bereichen, sondern in Themen. Im Moment konzentrieren wir uns auf die Veränderungen zu einer agilen Organisation, um an Agilität und Flexibilität zu gewinnen.

Sollen in Zukunft nur einzelne Abteilungen oder die ganze Mobiliar agil geführt werden?
Im Moment sprechen wir über die Koexistenz der beiden Organisationen: Linienorganisation und agile Organisation. Um den Erfolg und die Effizienz eines Massengeschäfts sicherzustellen, brauchen wir weiterhin eine Linienorganisation, die eher top-down geführt ist. Um aber schneller auf neue Digitalisierungsentwicklungen reagieren zu können bzw. unsere Produkte und digitalen Schnittstellen für unsere Kunden oder die Modernisierung unserer Technologie zu entwickeln, brauchen wir neu eine agile Organisation. Die Herausforderung liegt in der Koexistenz der beiden Organisationen: Mitarbeitende haben nicht mehr nur eine Funktion in einem Organisationsdiagramm, sondern können gleichzeitig Rollen in beiden Organisationen haben.

«Wir denken nicht mehr in Bereichen, sondern in Themen. Im Moment konzentrieren wir uns auf die Veränderungen zu einer agilen Organisation, um an Agilität und Flexibilität zu gewinnen.»

In welchem Zeithorizont soll die Anpassung umgesetzt werden?
Ich glaube an Stabilität in der Transformation. Das bedeutet, dass die Mitarbeitenden noch ein Organigramm brauchen, das sich nicht ständig ändert. Die agile Organisation zusätzlich in einem Matrix-Organigramm abzubilden, macht wenig Sinn. Stattdessen versuchen wir, Transparenz in die agile Organisation zu bringen. Deshalb sprechen wir über die Koexistenz der beiden Welten. Wenn wir genügend Transparenz und Klarheit in der agilen Organisation haben, wird die Linienorganisation nach und nach verschwinden. Ich rechne mit 20 Jahren.

Sind einzelne Teams oder Abteilungen bereits «agil unterwegs»?
Heute arbeiten mehr als 1000 Mitarbeitende in der agilen Organisation, in interdisziplinären, selbst organisierten Teams, iterativ, mit kurzen Dreimonatszyklen zur Festlegung und Bewertung ihrer Ziele. Sie sichern damit die Zukunft der Mobiliar. Die Mehrheit der Mitarbeitenden sichert hingegen mit dem Tagesgeschäft den heutigen Erfolg des Unternehmens.

Was sind die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im HR bei der Mobiliar?
Die Anpassungen der HR-Instrumente sowie die Effizienz der interdisziplinären Teams in der agilen Organisation. Zum Beispiel: Wie sieht die Selbstorganisation aus? Wie sind die neuen Entscheidungswege für die Effizienz? Welches ist das beste Anreizsystem für eine interdisziplinäre Teamperformance?

Sind grössere Veränderungen im HR geplant?
Wir sind auch auf dem Weg zu einer agilen Organisation. Wir arbeiten also auch in interdisziplinären Teams zusammen mit der Linie. Wir denken in Themen und setzen Team- statt individuelle Ziele. Wir ändern ausserdem unsere Entscheidungswege und überprüfen die Ziele alle drei Monate.

Teamziele können einerseits das Team stark motivieren, andererseits besteht die Gefahr, dass einzelne Personen nicht richtig mitziehen, wenn keine individuellen Ziele vereinbart werden. Wie begegnen Sie dieser Problematik?
Meiner Meinung nach ist es nicht die Festlegung von Zielen zu Jahresbeginn und deren Bewertung zu Jahresende, die die Mitarbeitenden motivieren. Die Motivation hängt vielmehr vom Gefühl der Selbstverwirklichung, der Anerkennung gut geleisteter Arbeit, der Verantwortung und Handlungsfreiheit, den Beziehungen zu den Vorgesetzten und Kollegen und der Arbeit selbst ab. Kurz: Die Mitarbeitenden müssen verstehen, was von ihnen erwartet wird, was in den individuellen oder Teamzielen definiert ist und warum sie dies tun sollten. In einem agilen Unternehmen werden die Teamziele für die kommenden drei Monate festgelegt und die Ziele der vergangenen drei Monate bewertet. Darüber hinaus erfolgt die Reflexion über den Inhalt der Massnahmen, aber auch über ein Feedback aus der Zusammenarbeit im interdisziplinären Team. So erhalten die Mitarbeitenden regelmässig und systematisch Feedback von mehreren Kollegen. Ihr Umfeld ist sehr dynamisch und erfüllt alle Kriterien, um ihre Motivation kontinuierlich zu verstärken.

Stichwort Fachkräftemangel: Wie stellen Sie sicher, dass Sie für Ihr Unternehmen auch zukünftig die richtigen Talente finden?
Indem wir als Arbeitgeberin attraktiv bleiben: Durch unsere Unternehmenskultur, die stark auf menschlichen Werten basiert, und unseren wirtschaftlichen Erfolg. Darüber hinaus modernisieren wir unsere IT-Systeme und sind deshalb gerade für IT-Spezialisten ein sehr interessanter Arbeitgeber.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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