Experten-Interviews

Juni 2023

Green HR, Nachhaltigkeit & Innovation: «Nachhaltigkeit beginnt bei mir selbst»

In den letzten Jahren haben Umweltthemen und damit auch Nachhaltigkeit an Wichtigkeit gewonnen. Unternehmen sind mehr denn je gefordert, sich mit ihrem Impact auf ihre Umgebung auseinanderzusetzen. Mit welchen Massnahmen und Ideen HR im Betrieb den Nachhaltigkeitsgedanken vorantreiben kann, haben wir Philipp Hatt, Head HR bei ewz, gefragt. Ein Gespräch über erneuerbare Energie, Verzicht auf bestimmte Benefits, Innovationsspielraum als städtische Behörde und Arbeitskultur beim Zürcher Stromproduzenten.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

Green HR, Nachhaltigkeit & Innovation

Herr Hatt, Sie sind seit 1999 als Personalleiter bei ewz tätig. Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Arbeit?
Mein beruflicher Werdegang hat mir früh gezeigt, dass die Kultur und Werte eines Unternehmens wichtige Voraussetzungen sind, um eine sinnvolle Arbeit leisten zu können. Mit ewz habe ich einen Arbeitgeber gefunden, der seine gesellschaftliche Verpflichtung wahrnimmt, bei dem die Kund*innen auch Shareholder sind und bei dem der respektvolle Umgang mit Lieferant*innen, Mitarbeitenden und Stakeholdern zur DNA der Kultur gehört. In solch einem Umfeld ist eine kooperative, professionelle und nachhaltige HRArbeit gefordert, was mich immer wieder motiviert.

Der Begriff «Nachhaltigkeit» ist nicht neu, jedoch ist in den letzten Jahren das Bewusstsein dafür gestiegen. Wie haben Sie diese Entwicklung bei Ihrem Arbeitgeber erlebt?
ewz setzt schon seit Langem auf Nachhaltigkeit, lange bevor der Begriff in Mode kam. Tatsächlich ist das Bewusstsein jedoch in den letzten Jahren noch weiter gestiegen. Unsere grossen Investitionen in die Energieproduktion oder in den Ausbau thermischer Netze auf Basis erneuerbarer Quellen sind nur mit Zustimmung unserer Eigentümer*innen, der Stadtzürcher Bevölkerung, möglich. Die hohe Zustimmung bei Abstimmungen der letzten Jahre zeigt, dass die Zürcherinnen und Zürcher auf eine nachhaltige Energiezukunft setzen. In der Stadt tut sich einiges – vom Ausbau der Elektromobilität, der Vervielfachung der Solarstromproduktion, der Einführung eines intelligenten Stromnetzes bis hin zur innovativen «Smart City».

Was bedeutet für Sie persönlich «Nachhaltigkeit»?
«Die Welt ist mit so vielen Dingen gefüllt, dass wir alle glücklich wie Könige sein sollten.» Diesen Spruch von Robert Stevenson versuche ich mir immer wieder vor Augen zu führen und bewusst zu geniessen. Wenn ich im Sommer mit dem Velo zur Arbeit fahre, bringt dies nicht nur der Umwelt etwas, ich fühle mich danach auch besser für den neuen Tag. Nachhaltigkeit heisst für mich, meine Gewohnheiten immer wieder zu überdenken: Wie viele Kleidungsstücke besitze ich, was für Lebensmittel konsumiere ich, esse ich Speisereste später noch, brauche ich wirklich ein eigenes Auto? Nachhaltigkeit beginnt bei mir selbst, und ich möchte meinen Beitrag leisten.

Was ist die Mission von ewz?
Wer sich eine gute Zukunft wünscht, muss sich schon heute dafür einsetzen. Deshalb engagieren wir uns für die erneuerbare Energiezukunft. Und weil wir schon heute das nachhaltigste Energieunternehmen der Schweiz sind, ermöglichen wir allen, ihren Beitrag zu dieser Entwicklung zu leisten. Zum Beispiel, indem sie auf 100% Naturstrom oder auf unsere Energielösungen setzen. Dafür investieren wir in neues Wissen, nutzen fortschrittliche Technologien und sichern eine zuverlässige Versorgung.

Nachhaltigkeit ist einer der Leitgedanken Ihres Arbeitgebers. Als Stromproduzent fällt Ihnen eine grosse Verantwortung zu. Wie berücksichtigen Sie diese in Ihrer Unternehmenstätigkeit?
Wir leisten einen wichtigen Beitrag zum Netto-null-Ziel der Stadt Zürich und zur Energiestrategie 2050 des Bundes. Wir investieren ausschliesslich in 100% erneuerbare Energien und realisieren in der ganzen Schweiz Energieverbunde auf Basis lokaler, erneuerbarer Energiequellen. Zum Beispiel den Energieverbund Altstetten und Höngg: Gereinigtes Abwasser und Abwärme aus dem Klärwerk Werdhölzli versorgen im Jahr 2035 rund 30'000 Haushalte mit Wärme und Kälte. Der Energieverbund ist der grösste seiner Art in der Schweiz und ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer fossilfreien Wärmeversorgung.

Energieproduktion ist immer auch ein Eingriff in die Natur. Gerade deshalb setzen wir uns für die Erhaltung der Biodiversität ein. Wir betreiben naturemadezertifizierte Kraftwerke, die Ökostrom aus Wasserkraft produzieren. Pro verkaufte Kilowattstunde speisen wir 0,7 Rappen in den naturemade-star-Fonds ein, der Renaturierungen von Gewässern sowie die Aufwertung von seltenen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen ermöglicht. Zusätzlich beraten wir Privatpersonen und Unternehmen in Sachen Energievermeidung und Energieeffizienz. Mit Erfolg: Der Stromverbrauch entwickelt sich in der Stadt Zürich trotz Bevölkerungswachstum rückläufig. Die ewz-Energieberatung gibt es übrigens seit 1991.

Unter «Green HRM» versteht man die Integration von Umweltaspekten und Nachhaltigkeit ins Personalmanagement von Unternehmen. Mit welchen Massnahmen, Impulsen und Ideen unterstützt Ihr HR das Unternehmen?
ewz hat mit den Unternehmenswerten «nachhaltig, einfach, engagiert, visionär» und den darauf aufbauenden Führungs- und Verhaltensleitsätzen Rahmenbedingungen geschaffen, um das Bewusstsein für umweltverträgliches Handeln am Arbeitsplatz zu verankern. Wir kommunizieren nach aussen und nach innen, was wir bei ewz in Bezug auf Nachhaltigkeit tun. Auch in unserem Arbeitsalltag spiegelt sich unsere nachhaltige DNA: Wir verzichten in unseren Restaurants auf Lebensmittel, die eingeflogen werden müssen, und verwenden nur saisonale Produkte, was bedeutet, dass die Hälfte unserer Mahlzeiten vegetarisch ist. ewz bekennt sich klar zum öffentlichen Verkehr, das heisst, wir geben keine persönlichen Dienstautos ab und stellen keine Parkplätze zur Verfügung. «Bike to work» ist für uns alltäglich, darum sind uns auch Veloabstellplätze und Garderoben an unseren Arbeitsorten wichtig. Immer wieder finden auch unternehmensinterne Veranstaltungen zu Nachhaltigkeitshemen wie Kreislaufwirtschaft oder Klimawandel statt. So transportieren wir Nachhaltigkeit auf verschiedenen Ebenen und machen unsere Mitarbeitenden zu einem Teil unserer Vision.

Nachhaltigkeit heisst auch, als Arbeitgeber bewusst auf gewisse Benefits wie ein Geschäftsauto zu verzichten, obwohl das für gewisse Arbeitnehmende ein Pluspunkt wäre. Denn wir suchen Mitarbeitende, die intrinsisch motiviert sind und unsere Werte mit uns teilen.

Können solche Bestrebungen zur Mitarbeitermotivation und -bindung beitragen?
Ein Arbeitgeber, der sich mit seinem Handeln für eine lebenswerte Zukunft positioniert, ist ein Arbeitgeber, der sich auch für seine Mitarbeitenden interessiert. Mitarbeitende, die ernst genommen und gefördert werden, sind zufriedenere und gesündere Mitarbeitende. Meine Erfahrung zeigt, dass diese Mitarbeitenden sich mehr engagieren, motivierter sind und auch länger bei einem Unternehmen bleiben, was letztlich auch zu einem Wettbewerbsvorteil werden kann. ewz hat mit einem allgemeinen und strukturellen Fachkräftemangel zu kämpfen. Wir möchten mit Arbeitsinhalten und unserer Unternehmenskultur das Rennen machen.

Erneuerbare Energie ist eines der Kernthemen Ihres Unternehmens. Auf welche Energiequellen setzen Sie neben der Wasserkraft?
Traditionell hat sich ewz stets den erneuerbaren Energien verschrieben. Wir setzen neben der Wasserkraft vor allem auf Windkraft und Sonnenenergie, aber auch auf Biomasse und Geothermie.

Beteiligen Sie sich grösstenteils finanziell an Projekten, oder setzen Sie mehrheitlich eigene Ideen um?
ewz verfügt über eigene Kraftwerke und ist an Partnerwerken beteiligt, was massgeblich zur Versorgungssicherheit und zu einem stabilen Strompreis für unsere Kund*innen in der Grundversorgung beiträgt. Wir setzen also viele eigene Ideen um. Gleichzeitig bieten wir auch Energielösungen für Immobilien oder ganze Areale an. Hier sind wir auf Partnerunternehmen angewiesen, die mit uns diese Bauprojekte realisieren.

Können Sie uns ein aktuelles Beispiel beschreiben?
Wir setzen derzeit unsere Vision um, bis zum Jahr 2030 die Energieversorgung von 100 Immobilien 100% klimaneutral zu gestalten. Dazu gehören das Areal Greencity in Zürich sowie die Wohnüberbauung Fischermätteli in Burgdorf (BE). Das können wir natürlich nicht allein, sondern nur in Zusammenarbeit mit der Immobilienwirtschaft erreichen.

Jede Stromproduktionsmethode bringt auch Nachteile mit sich. Wie gehen Sie damit um?
Das stimmt. Wir setzen daher auf eine Kombination von erneuerbaren Energien. Sie ergänzen sich mit ihren Stärken und Schwächen recht gut. So produzieren Windenergieanlagen den Grossteil im Winterhalbjahr, Fotovoltaikanlagen vor allem im Sommerhalbjahr, während Wasserkraft tendenziell über das gesamte Jahr genutzt werden kann. Für uns steht die Versorgungssicherheit im Vordergrund, daher bewirtschaften wir unsere Produktion im Handel konservativ. Aber klar, die Kombination aus notwendiger Energiewende und weltpolitischer Gesamtlage ist eine riesige Herausforderung.

ewz pflegt eine Innovationskultur. Was braucht es für Rahmenbedingungen, um Innovationen bestmöglich zu fördern?
Es ist wichtig, dass die Mitarbeitenden genügend Freiraum haben, um kreativ zu werden. Hier hilft uns auch die Diversität innerhalb von ewz, da unterschiedliche Sichtweisen die Kreativität steigern. Wenn die Ideen vorhanden sind, braucht es offene Ohren anderer Mitarbeitender und insbesondere der Vorgesetzten. Wir setzen hierbei stark auf Neugier und Offenheit. Bei der Umsetzung von Ideen sind Methoden und eine Kultur gefragt, bei denen es erwünscht ist, aus Fehlern zu lernen. Überall dort, wo eine psychologische Sicherheit gegeben ist, finden auch unkonventionelle Ideen Platz und können sich zu Innovationen entwickeln.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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