Experten-Interviews

Juli/August 2025

Future of Work & Arbeitskultur: «Flexibilität ist anstrengend, aber nötig»

Wie arbeiten wir morgen — und was braucht es dafür? Patrick Mollet, Mitinhaber von Great Place to Work und Spezialist für die Zukunft der Arbeit, spricht im Titelinterview über die Trends, die unsere Arbeitswelt prägen. Warum für ihn Vertrauen, Flexibilität und Transparenz zentral sind — und wie sich Führungsrollen im Zeitalter von Agilität und technologischer Innovation neu definieren, verrät er im Interview.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

Future of Work & Arbeitskultur

Patrick Mollet, Mitinhaber von Great Place to Work und Future-of-Work-Spezialist.

Patrick Mollet, Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Thema «Future of Work». Was verstehen Sie persönlich darunter? 
Unsere Arbeitswelt ist im Umbruch, vor allem getrieben durch den demografischen Wandel, eine fortschreitende Technologisierung sowie einen Kulturwandel. Mich interessiert, was Arbeitgeber künftig attraktiv macht, wie sie Mitarbeitende langfristig motivieren und halten können und was dies konkret für die Führung bedeutet.


Welche Entwicklungen oder Megatrends sehen Sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren als wegweisend? 
Ich tue mich schwer mit Trends, denn in unserer volatilen und komplexen Welt gibt es zu jedem Trend auch immer gleich einen Gegentrend. Aber ich bin überzeugt, dass wir nun in eine Phase kommen, in der wir uns als Gesellschaft die Frage stellen dürfen und müssen, wie wir arbeiten wollen. Die klassische Erwerbsarbeit von Montag bis Freitag mit Karriereleiter und Pensionierung mit 65 passt für immer weniger Menschen. Arbeit wird immer vielfältiger, individueller und flexibler.

Gleichzeitig hat unsere Produktivität in den letzten 30 Jahren um mehr als 40% zugenommen und wird dank künstlicher Intelligenz exponentiell zunehmen. Dabei hat sich unsere Arbeitswelt dermassen beschleunigt, dass immer mehr Mitarbeitende überfordert sind. Wie gehen wir mit dem KI-Produktivitätsschub um? Wenn wir künftig für ein Konzept oder ein Angebot nicht mehr einen halben Tag, sondern dank KI nur 30 Minuten benötigen, machen wir dann viel früher Feierabend? Oder werden die Deadlines der Vorgesetzten einfach noch viel kürzer und Erwartungen der Kunden viel höher?

Wie sieht Ihre «ideale Arbeitswelt» aus?
Ich bin kein Missionar, und es gibt nicht ein Richtig und Falsch. Jede Organisation muss für sich herausfinden, wie die ideale Zusammenarbeit aussieht, und die passenden Mitarbeitenden dafür finden. Es wird auch künftig streng hierarchische Organisationen geben, die nur Vollzeitstellen anbieten und das Privatleben der Mitarbeitenden eine untergeordnete Rolle spielt. Ideal wäre es, wenn es ein breites Spektrum an Arbeitgebern gäbe, sodass alle Arbeitnehmenden eine Stelle finden, wo sie ihr volles Potenzial entfalten und die bestmögliche Leistung zugunsten der Organisation erbringen können.

Angenommen, Sie müssten die Arbeitswelt neu erfinden und hätten dafür nur drei Grundprinzipien. Welche wären das? 
Vertrauen, Flexibilität und Transparenz: Wenn wir ein positives Menschenbild haben und den Mitarbeitenden vertrauen, dass sie einen guten Job machen wollen, brauchen wir viel weniger Kontrolle und Hierarchie. Damit wir möglichst viele Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren können, brauchen wir grösstmögliche Flexibilität bezüglich Arbeitszeit/-ort, aber auch bezüglich Rollen, Pensen etc. Und wenn wir wollen, dass die Mitarbeitenden eigenverantwortlich handeln, müssen wir als Arbeitgeber so transparent wie möglich sein.

Welche Entwicklung bereitet Ihnen Bauchschmerzen?
Natürlich die vereinzelten Return-to-Office- Massnahmen und generell die Forderung, dass wir wieder länger und härter arbeiten müssen. Die Herausforderungen der Zukunft können wir nicht mit Managementmethoden aus dem letzten Jahrtausend lösen.

In welchem Masse wird sich die Flexibilität in der Arbeitswelt – z.B. bezüglich Arbeitsweise und Arbeitsort – künftig weiterentwickeln?
Ich bin überzeugt, dass wir noch ganz viel Potenzial bezüglich Flexibilität haben. Gerade in grösseren Organisationen gibt es Richtlinien für alles Mögliche, die zwar für alle gelten, aber für niemanden passen. Führungskräfte haben oft das Gefühl, sie seien eingestellt, um Dinge zu regeln und zu kontrollieren. Und dass etwas nur fair sein kann, wenn es für alle gleich ist. One size never fits all: Die meisten Themen bespricht man am besten auf der tiefstmöglichen Stufe, also im Team. Wir als Team müssen doch definieren, wie wir am besten zusammenarbeiten. 

Aber auch die Führung wird flexibler. Früher mussten sich die Mitarbeitenden dem Führungsstil des Chefs anpassen. Heute geht eine gute Führungskraft individuell auf die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeitenden ein. Selbstverständlich ist Flexibilität anstrengend, aber nötig. 

Werden die «alle zurück ins Büro»-Aufrufe einzelner Grossunternehmen eine Trendwende Richtung weniger Flexibilität bewirken? 
Ich sehe dies differenziert. Man muss berücksichtigen, dass vorher teilweise 100% Homeoffice, also reine Remote-Arbeit, möglich war. Das ist ein sehr herausforderndes Set-up, welches ich nicht generell empfehlen würde. Wenn diese Arbeitgeber die Mitarbeitenden nun wieder ein paar Tage im Büro haben möchten, kann ich dies nachvollziehen. Ich befürchte insofern keine Trendwende, aber die Schere zwischen konservativen und progressiven Arbeitgebern geht weiter auf.

Wie beurteilen Sie die Diskussion um die 4-Tage-Woche? Wie gross ist die Chance, dass sich diese etabliert?
Ich finde es ein spannendes Konzept, und es scheint für einige Organisationen gut zu funktionieren. Gerade im Handwerk gibt es verschiedene Betriebe, die erfolgreich umgestellt haben. Ein Handwerker hat mir erzählt, dass sie oftmals am Freitag sowieso nur bis am Mittag auf der Baustelle waren, was nicht effizient ist. Von der 4-Tage-Woche profitiert nun auch die Firma durch mehr Effizienz.

In vielen anderen Branchen wie Pflege, Bildung, Hotellerie, Gastronomie und Logistik sehe ich aber nicht, dass solche Effizienzgewinne möglich sind. Dort ist eine Verkürzung der Arbeitswoche dann oft ein Employer-Branding-Instrument, welches aber höhere Personalkosten zur Folge hat. 

Auch bei Bürojobs bin ich kritisch, denn ich glaube nicht, dass wir die Arbeit um 20% verdichten können. Wahrscheinlich sind gewisse Meetings tatsächlich unnötig oder einzelne Prozesse nicht effizient. Aber wenn wir die gleiche Arbeit in weniger Zeit quetschen, führt dies einfach zu mehr Druck und zu einer höheren Belastung. Ausser eben die KI macht uns dermassen produktiv, dass wir tatsächlich einen Tag pro Woche weniger arbeiten müssen.

Die Unternehmenskultur oder Arbeitskultur gilt als Basis für den Teamzusammenhalt. Inwieweit ist sie auch ein Innovationstreiber?
Bei Innovationen geht es nicht nur um neue Produkte und Dienstleistungen, sondern Innovationen können auch neue Prozesse und Arbeitsweisen sein. Schauen wir uns also an, was für Innovation wichtig ist: Getrauen wir uns, Dinge anders zu machen als bisher? Wie gehen Führungskräfte mit Vorschlägen von Mitarbeitenden um? Werden Mitarbeitende in Entscheide einbezogen? Wie gehen wir mit Fehlern um? Feiern wir Mitarbeitende, die etwas Neues probiert haben? Das sind alles kulturelle Fragen, welche einen direkten Einfluss auf die Innovationsfähigkeit haben.

ZUR PERSON 
Seit mehr als 20 Jahren ist Dr. Patrick Mollet (48) als Unternehmer aktiv in der Schweizer HR-Szene unterwegs. Heute begleitet er als Mitinhaber von Great Place To Work Schweiz Organisationen dabei, wenn sie eine vertrauensbasierte Arbeitsplatzkultur schaffen, in der die Mitarbeitenden ihr volles Potenzial ausschöpfen können. «Future of Work» ist seine Leidenschaft, er ist getrieben von der Frage, wie wir künftig arbeiten werden. Als Content Creator auf LinkedIn, YouTube und TikTok teilt Patrick Mollet seine Ideen für die neue Arbeitswelt. Daneben ist er ein gefragter Keynote Speaker und Interviewpartner.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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