Experten-Interviews

März 2023

Flexibler Arbeitsplatz, Vereinbarkeit und Arbeitszeit: «Wir sind flexibler und beweglicher geworden»

Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht Hand in Hand mit flexiblen Arbeitsbedingungen. Dazu zählen neben Teilzeitpensen auch flexible Arbeitszeiten sowie die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Als Beitrag zu einer besseren Work-Life-Balance hat Hornbach Schweiz per 2023 die 39-Stunden-Woche eingeführt. Im Titelinterview sprechen wir mit Esther Kurmann, Personalleiterin bei der bekannten Baumarktkette, über moderne Anstellungsbedingungen, Selbstbestimmung bei der Arbeit und unternehmensweite Gleichberechtigung.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

Flexibler Arbeitsplatz, Vereinbarkeit und Arbeitszeit

Frau Kurmann, welche Themen treiben Sie aktuell bei Ihrer Arbeit am meisten um?
Im Vordergrund steht für mich die Frage, welche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen wir im Unternehmen brauchen, damit Menschen gerne bei uns arbeiten und ihren Job bestmöglich erledigen können. Dafür haben wir ein offenes Ohr bei unserer Belegschaft und unseren Führungskräften, berücksichtigen gleichzeitig aber auch Erkenntnisse aus der Wissenschaft und Forschung.

Eine gute Zusammenarbeit war uns bei Hornbach schon immer wichtig. Darauf sind zum Beispiel unsere Führungskräfteentwicklungsprogramme seit Langem ausgerichtet. So beschäftigen wir uns in diesen Programmen neben weiteren Themen stark mit der Frage, wie von Führungskräften Zusammenarbeit organisiert werden soll, damit unsere Mitarbeiter*innen ihr Potenzial entfalten können. Darauf aufbauend arbeiten wir nun daran, unsere Kultur weiterzuentwickeln, in der die Themen Selbstverantwortung, Kooperationsvorrang, Mitsprachepflicht und in unserem Unternehmen selbstverständlich die Kundenzentrierung einen sehr wichtigen Stellenwert haben.

Zusätzlich ist das Thema Lernen wichtig. Da beschäftigt uns die Frage, wie die Inhalte aus den verschiedenen Bereichen so vermittelt werden können, dass ein Transfer stattfinden kann, wir gleichzeitig aber auch mit dem hohen Tempo, das uns von aussen vorgegeben wird, mithalten können. Innerhalb von HR – wie auch in weiteren Bereichen des Unternehmens – beschäftigt uns aktuell auch die Digitalisierung. So werden wir 2023 SAP SF EC und Learning einführen und das E-Recruiting-Modul lokalisieren und aktualisieren.

Überall fehlen die Fachkräfte, und viele offene Stellen können über längere Zeit nicht besetzt werden. Wie sieht die Situation bei Hornbach aus?
Auch bei uns wurde die Suche nach neuen Mitarbeiter*innen seit Corona nochmals spürbar herausfordernder. Das Thema beschäftigt uns jedoch bereits seit Längerem.

Für welche Stellen gestaltet sich die Personalsuche besonders schwierig?
Die Besetzung von Führungspositionen, Mitarbeiter*innen mit handwerklichem Hintergrund, aber auch für einige andere Positionen wie zum Beispiel im Bereich E-Commerce erhalten wir immer weniger Bewerbungen. Jedoch bemerken wir auch regionale Unterschiede.

Wie positionieren Sie Ihr Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber im Detailhandel?
Per Januar 2023 haben wir die 39-Stunden-Woche eingeführt, den Mutterschafts- wie Vaterschaftsurlaub verlängert und grössere Flexibilisierung bei der Pausengestaltung für alle Mitarbeiter*innen eingeführt. Zudem lassen wir ihnen eine Wahlmöglichkeit bei der Auszahlung vom 13. Monatslohn und bieten die Möglichkeit, ein Sabbatical zu beziehen. Es ist uns wichtig, die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen zu berücksichtigen. In der Zentralverwaltung haben die Mitarbeiter*innen zudem die Möglichkeit, von hybriden Arbeitsmodellen zu profitieren.

Wir haben aber auch viele andere Vorteile wie zum Beispiel eine Erfolgsbeteiligung für alle Mitarbeiter*innen, die Möglichkeit zum Erwerb von Belegschaftsaktien und verschiedene weitere Corporate Benefits. Zudem steht unseren Angestellten eine persönliche Mitarbeitendenberatung zu betrieblichen, persönlichen, gesundheitlichen und finanziellen Fragen zur Verfügung. Und wir bieten auch überobligatorische Lösungen für die Lohnfortzahlung bei Krankheit und Unfall wie auch in der 2. Säule an. Bei Hornbach als Familienunternehmen steht zudem der langfristige Erfolg im Vordergrund, was viel zu einer tollen Unternehmenskultur beiträgt. Aus meiner Sicht ist dies einer der wichtigsten Faktoren.

Hornbach sieht sich in der Vorreiterrolle als moderner Arbeitgeber. In welchen Punkten sind Sie Pionier?
Wir haben neben einer Kultur, in der der «Mensch» im Zentrum steht und das Engagement jedes Einzelnen zählt, wie erwähnt, seit Kurzem die 39-Stunden-Woche als eines von wenigen Unternehmen in der Schweiz eingeführt. Unsere Mitarbeiter*innen können so von mehr Erholungszeit und Freizeit profitieren.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird immer wichtiger. Wie adressieren Sie dieses Thema?
Sehr viele Positionen bieten wir auch in Teilzeit an. Zudem werden Bedürfnisse in der Arbeitszeitplanung wo immer möglich mitberücksichtigt. Weiter wird das Thema der Vielfalt in Entwicklungsprogrammen adressiert, sodass bei allen in Rekrutierungsprozessen involvierten Personen ein grösseres Bewusstsein geschaffen werden kann.

Flexibilität bei der Arbeit ist generell ein grosses Bedürfnis der Arbeitnehmenden. Inwiefern ist Hornbach ein flexibler Arbeitgeber?
Bei der Planung der Einsätze werden die Wünsche der Mitarbeiter*innen wo immer möglich berücksichtigt. Dazu kommen die erwähnten Teilzeitstellen, die Möglichkeit von Sabbaticals und die freie Wahl unserer Angestellten, wie sie ihren 13. Monatslohn ausbezahlt haben möchten. Ergänzend bieten wir unseren Mitarbeiter*innen aus der Zentralverwaltung sowohl sehr flexible Arbeitszeiten wie auch die Möglichkeit, hybrid zu arbeiten. Jedes Team kann sich individuell so organisieren, wie es am effektivsten ist.

Wer in Teilzeit arbeitet, kommt in vielen Unternehmen nicht für eine Führungsposition infrage. Fördern Sie bei Hornbach Teilzeitführungskräfte, z.B. im Topsharing-Modell?
Leider haben wir nur wenige Führungskräfte in Teilzeit. Dieses Thema ist bei den Führungskräften jedoch im Bewusstsein, und es gibt nun schon vermehrt Vorgesetzte mit Pensen von 60–80%. Aus diesen Situationen wollen wir lernen, um daraus weitere Schritte abzuleiten.

Mit der Einführung der 39-Stunden-Woche fördern Sie die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden. Wie stehen Sie zur oft genannten «4-Tage-Woche»?
Ich sehe hier verschiedene Vor- und Nachteile. Insbesondere machen wir uns Gedanken zur körperlichen und mentalen Belastung bei einer Arbeitszeit von fast zehn Stunden am Tag. Gleichzeitig ist für uns die Einführung der 39-Stunden-Woche die Voraussetzung, um nun darüber vertieft mit unseren Mitarbeiter*innen in den Austausch zu gehen und Lösungen zu prüfen. Bei bisherigen internen Umfragen hat sich gezeigt, dass auch bei den Mitarbeiter*innen sehr vielfältige Wünsche bestehen, wobei die 4-Tage-Woche nicht im Vordergrund steht.

Gibt es neben den bekannten Vorteilen der Flexibilisierung auch Nachteile für das Unternehmen, wie etwa einen erhöhten Organisationsaufwand?
Durch individuellere Lösungen entstehen durchaus Mehraufwände in der Planung der Zusammenarbeit. Dies sowohl in den Märkten wie auch in der Zentralverwaltung. So muss zum Beispiel die Planung der Einsätze in unseren Märkten den neuen Gegebenheiten angepasst werden, ohne dabei die Verfügbarkeit von Ansprechpartnern für unsere Kund*innen aus den Augen zu verlieren.

Zudem gibt es gerade auch bei der hybriden Zusammenarbeit in der Zentralverwaltung einiges zu berücksichtigen. Neben Vorteilen wie zum Beispiel der Tatsache, dass sich Mitarbeiter*innen den Arbeitsweg sparen oder zu Hause konzentriert Themen bearbeiten können, gilt es aus unserer Sicht auch einiges zu beachten. Ich finde es wichtig, Momente zu kreieren, in denen Kommunikation und Austausch entstehen, diese passieren im Büroalltag eher spontan. Auch eine vermehrte Förderung des Teamzusammenhalts und der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit erscheint mir wichtig.

Im Zusammenhang mit den neuen Anstellungsbedingungen per Anfang 2023 sprechen Sie von mehr «Selbstbestimmung» für Ihre Mitarbeitenden. Wie sieht diese in der Praxis aus?
Zunächst haben alle unsere Mitarbeiter*innen in der täglichen Arbeit den Spielraum, ihre Aufgaben so zu erledigen, wie sie das als sinnvoll erachten – stets unter der Prämisse, bestmöglich die Kundenbedürfnisse zu berücksichtigen. Alle Teams, in denen hybrides Arbeiten möglich ist, bestimmen selbst, wann wie und wo gearbeitet wird. Es muss einzig der gesetzliche Rahmen eingehalten werden.

An unseren Verkaufsstandorten können die Mitarbeiter*innen sehr einfach ihre Wünsche zu den Arbeitsplänen einbringen und zum Beispiel die Dauer der Pausen oder die Planung der freien Tage beeinflussen.

Wenn immer möglich bieten wir für Positionen Teilzeitpensen an, und es besteht die Möglichkeit, ein Sabbatical zu beziehen. Auch ob der 13. Monatslohn einmalig oder in zwölf Tranchen ausbezahlt wird, können unsere Mitarbeiter*innen frei entscheiden.

Hornbach ist ein familiengeführtes Grossunternehmen. Welche Werte sind Ihnen wichtig, und welche Arbeitsplatzkultur leben Sie im Arbeitsalltag?
Die Menschlichkeit, sowohl im Kontakt mit Kunden wie in der Zusammenarbeit, steht bei uns an erster Stelle. Darunter verstehen wir den echten persönlichen Kontakt. Zur Weiterentwicklung von Kultur und Haltung beschäftigen wir uns in Schulung en und der täglichen Arbeit intensiv mit vier Schwerpunktthemen.

Kundenzentrierung – jeder Einzelne trägtdazu bei, unsere Kund*innen zu begeistern. Sei es mit auf die Kundschaft ausgerichteten Leistungen oder dem echten persönlichen Kontakt.

Selbstverantwortung – unsere Mitarbeitenden übernehmen auch dort Verantwortung, wo sie nicht klar zugeordnet ist. Sie übernehmen insbesondere aber auch die Verantwortung für ihre eigene Leistungsbereitschaft und Motivation.

Kooperationsvorrang – neben der individuellen Leistung ist für uns die Zusammenarbeit entscheidend. Bei Entscheidungen beachten wir den Vorrang der Kooperation. Und ja, da müssen persönliche Interessen auch mal zurücktreten.

Mitsprachepflicht – wir brauchen die Hände, die Herzen und die Köpfe von jedem. Jeder bringt sich ein und gestaltet mit. Jeder ist verantwortlich für das eigene Tun. Verschiedene Meinungen und Sichtweisen müssen in unserem Arbeitsalltag Platz haben, damit Fortschritt und Entwicklung möglich wird.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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