Experten-Interviews

Oktober 2025

Diversity & Employability: «Wir alle haben Kategorien im Kopf»

Diversity und Employability sind in aller Munde — und doch erleben Gleichstellungsthemen seit Trumps Amtsantritt einen spürbaren Backlash, auch in der Schweiz. Gleichzeitig stossen Ü50- Arbeitnehmende nach wie vor auf Hürden. Dr. Daniela Frau, Diversity Manager Delegate an der ZHAW School of Management & Law, spricht im Titelinterview über Fortschritte und Rückschläge bei Inklusion und Chancengerechtigkeit sowie die unterschätzte Rolle des Alters. Und sie verrät, warum Vielfalt ohne inklusives Führungsverhalten wirkungslos bleibt.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

Diversity & Employability

Dr. Daniela Frau ist Diversity Manager Delegate an der ZHAW School of Management & Law

Daniela Frau, was war der Moment, in dem Ihnen klar wurde: «Ich möchte mich beruflich für Diversität und Chancengleichheit einsetzen»?
Nach meiner Lizentiatsarbeit im Jahr 2006 zum Thema «Einfluss von Geschlechtsdiversität auf die Team-Effektivität in Forschungsteams » war für mich klar, dass ich einen Beitrag im Beruf leisten möchte. Zuerst engagierte ich mich dennoch freiwillig in der Schweiz und in Asien zu DEI. Als berufstätige Mutter mit Migrationshintergrund habe ich gewisse DEIThemen als Betroffene selbst erlebt. Das sensibilisiert noch mehr. Erst nach einer gewissen Reife bewarb ich mich 2020 für die Stelle und erhielt die Chance, das Diversity Management an der School of Management & Law aufzubauen und die Themen in der Lehre, Weiterbildung und in der angewandten Forschung voranzutreiben.

Was bedeutet der Begriff «Diversity» für Sie, und wie grenzt er sich von «Inclusion» und «Gleichstellung» ab?
Diese Frage ist komplex, darum muss ich etwas differenzieren. Zuerst unterscheide ich zwischen primärer und sekundärer Vielfalt. Primäre Vielfalt bezieht sich auf die sichtbaren Merkmale von Menschen und/oder Gruppen, die zu Gemeinsamkeiten oder Unterschieden führen, z.B. Alter, Geschlecht, körperliche Fähigkeiten, Ethnizität oder Sprachen. 

Sekundäre Vielfalt sind die nicht sichtbaren Merkmale, die erst in der Zusammenarbeit klarer werden, wie z.B. Werte, Kompetenzen, Kommunikationsweisen oder Persönlichkeit. Das Risiko von unbewussten Vorurteilen und Diskriminierung besteht leider meistens bei den sichtbaren Merkmalen. 

Inklusion impliziert den Begriff Vielfalt, weil Inklusion die gesellschaftliche Vielfalt anerkennt und die Individualität und die Bedürfnisse aller Menschen sowie Teilhabe in der Gesellschaft zum Prinzip macht. Meistens wird der Begriff mit Inklusion von Menschen mit Behinderung in Verbindung gebracht. Inklusion bezieht sich aber auf alle Menschen.

Gleichstellung im Sinne von Equality verstehe ich als Ziel, z.B. Lohngleichheit. Ich bevorzuge lieber den Begriff Chancengerechtigkeit (Equity), welche die individuellen Bedürfnisse der Personen berücksichtigt. Flexible Arbeitsmodelle sind z.B. chancengerecht, weil Mitarbeitende flexibel nach ihren persönlichen Bedürfnissen ihre Arbeit ausüben können.

Diversity- und Gleichstellungsanliegen haben über die Zeit unterschiedlich starke Resonanz erhalten. Wie beurteilen Sie das aktuelle «Standing» von Diversity und Gleichstellung in der (Arbeits-)Welt?
DEI-Anliegen erfahren aktuell politisch einen Backlash seit Trumps Amtseinführung. Seit Anfang 2025 mussten nicht nur die US-Regierungsorganisationen ihre Diversitätsprogramme streichen, sondern auch internationale Unternehmen mit Regierungsaufträgen gerieten stark ins Visier. Viele betroffene Unternehmen haben sehr schnell gehandelt und ihre DEI-Ziele reduziert oder ganz abgeschafft. Einige verfolgen weiterhin ihre Ziele und sprechen z.B. von Belonging (Zugehörigkeit) und Community für alle. Dennoch verschwinden die DEI-Begriffe bei einigen Unternehmen. Diese Entwicklung beobachte ich kritisch, denn es braucht die Begriffe, um über diese Themen zu reden. Dieser Trend lässt die vielfältige DEI-Community nicht kalt. Dennoch gibt es DEI-Initiativen seit Jahrzehnten. Das Thema lebt von Fortschritt und Rückschritt und wird nicht so schnell wieder verschwinden. Die Unternehmen, welche DEI fallen lassen, sollten sich aus Reputationsgründen fragen, ob ihre Entscheidung die richtige war.

Welche drei Dinge sind besonders erfreulich?
In der Schweiz sind wir beim Thema (binäre) Geschlechtergleichstellung (Gender Equality) in den letzten Jahren vorwärtsgekommen. Dank dem Gleichstellungsgesetz waren Unternehmen zuerst etwas gezwungen, Massnahmen zu treffen. Mittlerweile haben wir Gleichstellung zwischen Frauen und Männern im Bildungssystem erreicht. Frauen ohne Kinder sind gut in der Arbeitswelt integriert. Weiterhin haben wir jedoch grosses Verbesserungspotenzial bei den Führungsetagen. Insbesondere die Massnahmen zur Vereinbarkeit müssen alle Eltern berücksichtigen und sollten sich nicht auf die traditionelle Mutterrolle beschränken.

Welche drei «Problemzonen» sollten Unternehmen dringend angehen? 
Problematisch finde ich Unternehmen, die sich nur an 1–2 Events mit einem Thema befassen und die DEI-Themen nicht strategisch angehen. Unternehmen sollten sich aus HR-strategischer Sicht überlegen, welche DEI-Massnahmen systematisch im Employee Life Cycle angegangen werden sollen. Wie inklusiv wird im Unternehmen rekrutiert und geführt? Bietet das Unternehmen Weiterentwicklung für alle? Sind die Leistungs-, Beförderungs- und Belohnungssysteme chancengerecht gestaltet?

Wie wird Diversity bei Ihnen an der ZHAW School of Management & Law (SML) gelebt? 
An der ZHAW SML ist DEI nicht nur Sache der DEI-Fachperson, sondern Führungsaufgabe. Insbesondere fokussieren wir uns auf die HR-Prozesse und -Systeme, um die nicht sichtbaren Barrieren zu Gender und Alter zu identifizieren. Wir haben ein strategisches Gender-Equality- Management-Konzept, das uns hilft, inklusive Massnahmen in der Rekrutierung, Führungs- und Personalentwicklung umzusetzen. Zum Thema Alter sensibilisieren wir und forschen dazu.*

Orientieren Sie sich bei der Rekrutierung von Talenten bei der ZHAW SML an bestimmten Quoten, z.B. hinsichtlich Alter oder Geschlecht? 
An der ZHAW SML haben wir seit 2021 mittelfristige Zielvorgaben zu Gender Equality bei der Rekrutierung und Nachfolge von Führungspersonen und Professuren. Diese Zielvorgaben haben uns geholfen, den Frauenanteil von Führungs- und Professur- Positionen in den letzten Jahren markant zu erhöhen. So ist der Anteil an weiblichen Führungspersonen von 23% auf 32% gestiegen, und es gibt heute 34% Professorinnen statt 23%. Dies haben wir erreicht, ohne auf Exzellenz zu verzichten.

Zudem arbeiten wir mit der Stabsstelle Diversity der ZHAW und der Diversity-Kommission zusammen, um über verschiedene Diversity-Themen zu sensibilisieren und die Kompetenzen bei allen involvierten Rollen innerhalb der HR-Prozesse aufzubauen. Ein grosser Vorteil ist, dass wir DEI auch in der Lehre und Weiterbildung als soziales Nachhaltigkeitsthema integriert haben. Neu bietet die SML auch eine Weiterbildung zum Management von Diversity, Inklusion und sozialer Nachhaltigkeit an.**

* z.B. Swiss Diversity Studie 2023 mit dem Schwerpunkt Altersdiversität in Organisationen
** CAS Managing Diversity, Inclusion and Social Sustainability, mehr Infos finden Sie hier.

ZUR PERSON
Dr. Daniela Frau (51) ist Dozentin und Diversity Management Delegate an der School of Management & Law der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Sie lehrt, berät und forscht insbesondere zu organisationaler Fairness, Diversity, Equity & Inclusion, Management sowie sozialer Nachhaltigkeit in Organisationen. Sie leitet die Weiterbildung CAS Managing Diversity, Inclusion & Social Sustainability. Sie forscht zu Diversity Management in Schweizer Unternehmen und leitet die Swiss Diversity Studie. Neben 12 Jahren im Hochschulkontext bringt sie über 20 Jahre Erfahrung in der Personal- und Führungsentwicklung von Unternehmen mit. Sie verbringt ihre Freizeit mit der Familie. Ihre Hobbys sind abstraktes Malen und Singen in einem Gospelchor.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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