Experten-Interviews

Oktober 2021

Digital Recruiting und Active Sourcing: «Das Netzwerk der Mitarbeitenden einbeziehen»

Der Rekrutierungsprozess verlagert sich zunehmend in den digitalen Raum. Dies bringt viele Vorteile, vor allem in Bezug auf Zeit und Effizienz. Dafür geht der persönliche Touch ein wenig verloren. Wie man dieses Manko wieder wettmacht und welche Besonderheiten es beim Digital Recruiting und Active Sourcing zu beachten gilt, haben wir Aline Zinniker, Lead Digital Recruiting bei der Mobiliar, gefragt. Im Titelinterview spricht sie über rare Kandidatenprofile und erklärt, warum ihr ein persönlicher Stil bei der Kandidatenansprache wichtig ist.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

Digital Recruiting und Active Sourcing

Aline Zinniker, Lead Digital Recruiting bei der Mobiliar

Frau Zinniker, wie geht es Ihnen in der aktuellen Corona-Situation?
Mir geht es gut. Mittlerweile habe ich die für mich richtige Mischung zwischen Homeoffice und Arbeit vor Ort gefunden. Mir haben die sozialen Kontakte gefehlt. Der persönliche Austausch mit meinen Arbeitskolleg:innen gibt mir viel Energie und Inspiration. Ich schätze es aber auch sehr, konzentriert und ungestört zu Hause arbeiten zu können. Allerdings befinden wir uns hier bei der Mobiliar in einer äusserst privilegierten Situation: Dank der mir zur Verfügung gestellten Infrastruktur konnte ich zu jeder Zeit reibungslos von zu Hause aus arbeiten und musste auch nie um meine Arbeitsstelle bangen.

Welche Regelung gab respektive gibt es bei der Mobiliar bezüglich Homeoffice und Arbeit vor Ort?
Ortsunabhängiges Arbeiten wurde bei der Mobiliar bereits vor Corona gelebt. Wir halten uns in Zeiten von Corona an die Vorgaben des Bundesrats und schöpfen diese vollumfänglich aus. Die Mobiliar möchte, dass ihre Mitarbeitenden dort arbeiten können, wo es sinnvoll und effizient ist. Beispielsweise digital von zu Hause aus oder für kreative Workshops physisch vor Ort. Es gibt auch Mischformen, bei denen sich Personen zu einem Meeting vor Ort treffen und andere sich virtuell einwählen. Die hybride Zusammenarbeit wird bei uns je länger, desto mehr zum Standard. Sie verlangt Reflexion mit sich selbst, dem Team sowie der Nutzung von Ort und Raum. Je persönlicher das Thema, desto physischer ist die Arbeitsform. Diese Arbeitsformen sagen mir sehr zu – ich geniesse die Flexibilität und schätze die Eigenverantwortung, die sie mit sich bringt.

Wie stark hat die Pandemie Ihre Arbeit beeinflusst?
Neue Arbeitsformen sind entstanden. Eine der grössten Veränderungen ist aus meiner Sicht, dass die Akzeptanz für digitale Vorstellungsgespräche extrem gestiegen ist – sowohl bei den Kandidat:innen wie auch bei den Hiring Managern. Während des Lockdowns fand unser gesamter Rekrutierungsprozess digital statt. Wir stellten fest, dass dies sehr gut funktionierte, und zogen daraus unsere Lehren. Erstgespräche finden vermehrt digital statt und das Zweitgespräch vor Ort. Während des Lockdowns hat sich gezeigt, dass unser Rekrutierungsprozess auch digital persönlich ist.

E-Recruiting, Online-Recruiting oder Digital Recruiting – es gibt unzähligeBegriffe für die Rekrutierung via digitaler Kanäle. Was bedeutet «Digital Recruiting» für Sie im Kern?
Sowohl die Kandidaten wie auch Talent Acquisition Manager durchlaufen den kompletten Prozess digital. Tools erleichtern einerseits unsere Arbeit und schaffen andererseits ein positives Erlebnis. Das klassische «post & pray» funktioniert schon lange nicht mehr. Wir müssen auf innovative Rekrutierungs- und Sourcing-Methoden setzen, sonst finden wir die passenden Mitarbeitenden für die Mobiliar heute nicht mehr. Hier unterstützen uns digitale Tools, Netzwerke etc. sehr.

Die Digitalisierung eröffnet in der Rekrutierung viele neue Möglichkeiten. Diese wollen wir nutzen und von neuen möglichen Massnahmen und Methoden profitieren. So haben wir etwa ein Webtracking auf unserem Stellenportal implementiert und zusammen mit den KPIs aus unserem Bewerbermanagement ein «Recruiting & Sourcing»-Dashboard aufgebaut. Daraus gewinnen wir viele Informationen, um ein aktives Channel-Management zu betreiben.

Welche sind Ihre bevorzugten Recruiting-Tools?
LinkedIn ist bei mir im Dauereinsatz. Ich betreibe damit Active Sourcing, also die aktive Ansprache von potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten und baue mein eigenes Netzwerk aus. Wir publizieren auf LinkedIn unsere Stellenanzeigen und schalten Kampagnen zu Jobs oder zur Mobiliar als Arbeitgeberin.

Ein weiteres wichtiges «Tool» ist für mich das Netzwerk unserer Mitarbeitenden. Ich fordere bei jeder Rekrutierung die Teams dazu auf, die offene Stelle in ihrem Netzwerk zu streuen und sich ebenfalls aktiv auf die Suche nach geeigneten Personen zu machen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemand Passenden im Netzwerk haben, ist gross – sei es eine alte Studienkollegin oder ein früherer Arbeitskollege. Wir arbeiten bei uns im Team auch mit Talent Communities. Dort sind potenzielle interne und externe Kandidat:innen drin. Wir führen zum Beispiel eine Silver Community. Das sind Personen, bei welchen es am Ende des Rekrutierungsprozesses nicht geklappt hat, bei denen wir aber grosses Potenzial für eine passende künftige Stelle sehen. So gehen wir bei der nächsten Vakanz proaktiv auf diese Kandidatinnen und Kandidaten zu und verkürzen dadurch den Rekrutierungsprozess enorm. Und natürlich ist unser Bewerbermanagementsystem der Grundstein – ohne ein solches würde es nicht funktionieren.

«Die Akzeptanz für digitale Vorstellungsgespräche ist extrem gestiegen.»

Umständliche Log-in-Prozedere, ein intransparenter Bewerbungsablauf oder lange Wartezeiten bei Rückmeldungen auf eine Bewerbung gehören zu den gros sen Ärgernissen bei der Stellensuche. Wie sorgen Sie bei der Mobiliar für eine positive Candidate Experience im Bewerbungsprozess?
Wir stellen das Erlebnis für die Kandidatinnen und Kandidaten in den Mittelpunkt unseres Rekrutierungsprozesses. Die Werte der Mobiliar – menschlich, nah, verantwortungsvoll – machen wir auch im Rekrutierungsprozess spürbar. Wir wollen an jedem Kontaktpunkt mit unseren Kandidat:innen ein Mobiliar-typisches Erlebnis schaffen. Sei es im physischen oder digitalen Kontakt. Zudem informieren wir auf unserer Webseite transparent, wie unser Rekrutierungsprozess abläuft, geben eine Timeline vor und zeigen auf, was von uns während der einzelnen Schritte erwartet werden kann. Selbstverständlich halten wir uns dann an diese Vorgaben.

Wie wichtig ist in diesem Kontext die firmeneigene Karriereseite?
Die Karriereseite ist ein wichtiger Bestandteil der Candidate Experience. Dort sind einerseits harte Fakten wie z.B. die Anstellungsbedingungen oder Jobanzeigen zu finden. Und offene Fragen zum Rekrutierungsprozesses können beantwortet werden. Andererseits gewähren wir auch einen Einblick in unsere Arbeitswelt. Unsere Mitarbeitenden lassen Kandidat:innen an ihren Geschichten, Aufgaben und Erlebnissen teilhaben. Unsere Werte und unsere Kultur werden dadurch spürbar. Eine interessierte Person soll ein ehrliches und realistisches Bild erhalten, wie es ist, für die Mobiliar zu arbeiten und Teil von diesem Unternehmen zu sein.

Stimmt es, dass eine Mehrheit der Bewerbenden via Smartphone nach Stellen sucht?
Ja, das stimmt. Unsere Stelleninserate werden viel öfter via Smartphone angeklickt als via Laptop oder Tablet. Wir beobachten jedoch, dass die Bewerbungen nach wie vor via Laptop eingereicht werden. Ich denke aber, dass dies in Zukunft abnimmt und sich potenzielle Kandidat:innen direkt über das Smartphone bewerben. So kann man sich schon heute bei einigen Firmen mit dem LinkedIn-Profil bewerben.

Die Frage, ob man Arbeitnehmende, die zufrieden mit ihrer aktuellen Stelle sind, trotzdem aktiv abzuwerben versuchen soll, ist umstritten. Wie ist Ihre Einstellung dazu?
Wir haben uns vom Arbeitsmarkt zum Bewerbermarkt entwickelt. Unternehmen müssen aktiv werden, um geeignete Mitarbeitende zu gewinnen. Nur knapp 21% sind aktiv auf Stellensuche. Die restlichen 79% denken entweder über einen Wechsel nach, sind nicht aktiv auf der Suche, aber offen für Gespräche, oder sind eben glücklich mit ihrer Stelle. Wir können es uns im Wettlauf um die besten Talente nicht leisten, den passiven Stellenmarkt zu ignorieren und auf geeignete Kandidat:innen zu hoffen. Talent Acquisition Manager müssen proaktiv auf Leute zugehen und diese vom Unternehmen und von der Stelle überzeugen. Es ist eine andere Rolle als die eines klassischen Recruiters; deshalb muss ein Talent Acquisition Manager auch andere Skills und ein anderes Mindset mitbringen.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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