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Long Covid: Der lange Weg zurück in die Normalität
Stellen Sie sich vor, Sie stehen morgens auf, aber schon das Aufstehen fühlt sich an, als hätten Sie die halbe Nacht durchgearbeitet. Ihr Körper ist schwer, jede Bewegung kostet Kraft. Sie gehen zur Arbeit, doch schon der kurze Weg vom Parkplatz zum Büro lässt Ihr Herz rasen, und die Treppen, die Sie früher mühelos hochgestiegen sind, scheinen heute unüberwindbar. Kaum angekommen, breitet sich ein Nebel in Ihrem Kopf aus – Sie starren auf den Bildschirm, doch die Buchstaben verschwimmen, und einfache Aufgaben überfordern Sie. Konzentration? Fehlanzeige. Gespräche mit Kollegen brauchen Ihre ganze Energie, und nach kleinen Anstrengungen fühlen Sie sich, als hätten Sie einen Marathon hinter sich. Das ist der Alltag vieler Menschen, die an Long Covid leiden.
Was ist Long Covid?
Long Covid ist eine Multisystem-Erkrankung, die sich durch eine Vielzahl von Symptomen äussert, die oft über Monate hinweg bestehen bleiben. Zu den häufigsten Symptomen gehören extreme Müdigkeit (Fatigue), Atemnot und kognitive Störungen wie Konzentrationsprobleme und «Brain Fog», eine Art Nebel im Kopf. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt eine Post-COVID-19 Erkrankung vor, wenn Symptome drei Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion auftreten und mindestens zwei Monate anhalten. Genaue Zahlen fehlen, aber die WHO schätzt, dass 10–20% der mit dem Coronavirus Infizierten Long Covid entwickeln. Der Verein «Long Covid Schweiz» spricht von 300 000 betroffenen Menschen in der Schweiz.
Im schlimmsten Fall mündet das Virus in ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom), eine schwere, unheilbare neuroimmunologische Erkrankung. Für einige Betroffene kann Long Covid sogar zur Invalidität führen. Bei der Invaliden-Versicherung (IV) sind laut offiziellen Zahlen des Bundesamts für Sozialversicherungen bis Juni 2024 insgesamt 5450 Anmeldungen eingegangen; Renten wurden jedoch kaum gesprochen, Eingliederungsmassnahmen von der IV bislang teilweise unterstützt.
Long Covid am Arbeitsplatz – langwierige Reintegration
Ein zentrales Symptom von Long Covid ist die Belastungsintoleranz, auch bekannt als Post-exertional Malaise (PEM). «Long Covid geht häufig mit einer sehr begrenzten Belastbarkeit einher, und jede Überschreitung dieser Grenze kann zu einem ‹Crash› führen – was zu einem erheblichen Rückschlag im Genesungsprozess führen kann», erklärt Carola Schlup, Case Managerin und Eingliederungsberaterin bei der Beratungsfirma «return back to work – in time!». Sie unterstützt Long-Covid-Betroffene bei der Rückkehr in den Arbeitsalltag. «Crashs gilt es unbedingt zu vermeiden, da sie den gesamten Reintegrationsprozess erheblich verzögern», sagt sie.
Nebst den Betroffenen sind auch die Unternehmen, insbesondere KMU, mit Herausforderungen im Zusammenhang mit Long Covid konfrontiert – einerseits, weil die Krankheit komplex und unberechenbar ist, andererseits, weil KMU oft nur begrenzte Ressourcen im Bereich HR und Case Management haben. Menschen, die an Long Covid erkranken, sind oft sehr lange nicht oder nur eingeschränkt arbeitsfähig. Von den Arbeitgebern erfordert die Wiedereingliederung deshalb besonders viel Verständnis für die Situation der Mitarbeitenden und – so Carola Schlup – vor allem Geduld.
Sie weiss, wovon sie spricht: Auch Schlups Klienten kämpfen täglich mit der erdrückenden Müdigkeit und den kognitiven Einschränkungen. Wie viele andere Long-Covid-Betroffene auch, sind sie oft nach kleinsten Aufgaben erschöpft und brauchen lange Erholungsphasen. «Eine der grössten Schwierigkeiten besteht darin, die Betroffenen bei der Akzeptanz ihrer eingeschränkten Energiereserven zu unterstützen», sagt die Case Managerin.