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Kolumne «Einfach gedacht»: The Future of Work - Kritisches Upgrade unserer Arbeitswelt

«Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.» Was wie ein abgedroschener Kalenderspruch wirkt, könnte nicht wahrer sein. Jedenfalls wenn ich an den Tag zurückdenke, an dem ich meine Kündigung eingereicht habe, bevor ich mich selbstständig gemacht habe. Zu gross war das Mikromanagement, zu streng die unnötige Rapportierung kleinster Detailaufgaben und zu kontrollierend das Umfeld. Hinzu kam ein Betriebsklima, das mir im Hochsommer bei 30 Grad Schüttelfrost beschert hat und eine Bevormundung, die ich mit meinen damals 42 Jahren einfach nicht mehr hinnehmen wollte.
Ich war gefangen in einem Job, den ich zwar liebte, aber in einem Unternehmen, dass knietief in den Strukturen des industriellen Zeitalters feststeckte. Gegen aussen innovativ und modern, gegen innen marode und altmodisch. Leadership? Fremdwort. Wertschätzung? Unnötig. Schliesslich gibt es ja ein Gehalt.
Als kreativer Freigeist ging ich dort ein, wie eine Wüstenblume kurz vor dem Austrocknen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als meine Kündigung einzureichen. Rückblickend war das eine der besseren Entscheidungen meines Lebens. Denn heute habe ich ein Berufsleben, das mir Selbstbestimmung, Sinnstiftung und maximale Flexibilität gibt. Wertschätzung ohne Ende, ein gutes Gehalt, und meine Lernkurve nimmt kein Ende.
Heute weiss ich: Nicht der Job war falsch, sondern das Modell dahinter. Arbeit, wie ich sie damals erlebt habe, war reine Transaktion: Zeit gegen Geld. Kontrolle statt Vertrauen. Präsenzpflicht statt Gestaltungsspielraum. Ein System, das Loyalität mit Benefits erkaufen will, statt Beziehung durch Vertrauen aufzubauen.
Wir müssen Arbeit neu denken: Weg von Transaktion – hin zu Beziehung. Denn genau das ist der Bruch, den unsere Arbeitswelt gerade erlebt. Alte Strukturen wanken, neue Erwartungen wachsen. Mitarbeitende wollen nicht nur funktionieren, sie wollen sich entfalten. Sie wollen nicht nur Gehalt – sie wollen Sinn, Teilhabe, Entwicklung.
Beziehung bedeutet Vertrauen gegen Leistung. Und das verändert alles: Führung, Kultur, Prozesse. Vor allem aber die Rolle von HR.
The Future of Work ist nicht die Verlängerung des Homeoffice. Es ist ein neues Betriebssystem namens New Work. Mit anderen Werten, anderen Spielregeln, anderer Architektur. Denn während KI längst unsere Texte schreibt, Meetings zusammenfasst und Arbeitsprozesse automatisiert, stecken viele Unternehmen strukturell noch in den frühen 80ern fest. Hightech-Tools auf analogen Systemen. Effizienz in digitalen Workflows und gleichzeitig Rapportpflicht im 10-Minuten-Takt.
Diese Schieflage fällt nicht nur auf, sondern sie kostet Vertrauen, Energie und Toptalente. Besonders in einer Zeit, in der Arbeit schneller wird, aber nicht zwingend sinnvoller. Und genau deshalb braucht es HR als Mitgestalterin. Nicht am Rand, sondern im Zentrum. Denn dort, wo heute noch über Präsenzpflicht diskutiert wird, kündigen morgen die besten Talente. Nicht wegen der Aufgaben, sondern wegen der Arbeitsbedingungen.
New Work beginnt nicht mit einem Kick-off-Meeting. Sondern mit einer Haltung. Einer Haltung, die sagt: Wir vertrauen unseren Mitarbeitenden, behandeln sie wie Erwachsene und geben ihnen die Flexibilität, die sie verdienen.
«Einfach gedacht» ist die regelmässige Kolumne von Selma Kuyas. Diese Folge ist in der Juli-August-Ausgabe 2025 erschienen.
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