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Human Capital Trends 2019: Der Mensch rückt ins Zentrum

Wirtschaftliche, soziale und politische Umbrüche fordern Unternehmen, Arbeitnehmende und das HR heraus. Dabei verstärken Unternehmen langsam ihre gesellschaftliche Verantwortung. Sie sollten aber über Mission-Statements und isolierte Philanthropie-Projekte hinausgehen und den Menschen ins Zentrum ihrer Geschäftsstrategie rücken. Das ist ein Hauptbefund der Deloitte Human Capital Trends 2019, wofür rund 10 000 HR-Führungskräfte weltweit befragt wurden.

Von: Myriam Denk, Katja Arden   Teilen  

Myriam Denk

Myriam Denk ist Partnerin bei Deloitte und leitet das Schweizer Human ­Capital Consulting Team. Darüber hinaus ist sie verantwortlich für das bereichsübergreifende Thema «Zukunft der Arbeit».

Katja Arden

Katja Arden ist Wirtschaftspsychologin und Beraterin im Schweizer Human Capital Consulting Team von Deloitte. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen in den Themen ­People Analytics, Digitales HR und Design Thinking.

Human Capital Trends 2019

Unternehmen sehen sich zurzeit mit vielen Herausforderungen konfrontiert: Sie müssen sich dem Druck zur digitalen Transformation sowie der unerbittlichen Beschleunigung von Automatisierung, kognitiver Technologien und künstlicher Intelligenz stellen. Gemäss den diesjährigen Deloitte Human Capital Trends 2019 denken 86 Prozent der befragten HR-Fachkräfte, dass sich die Lernfähigkeit ihres Unternehmens verbessern muss – der wichtigste Trend der Studie. Angesichts dieser Herausforderungen und der steigenden Diversität der Belegschaft gehen 80 Prozent davon aus, ihre Führungskräfte künftig anders entwickeln zu müssen. Und 84 Prozent der Befragten geben an, das Arbeitserlebnis ihrer Mitarbeitenden verbessern zu wollen.

Organisationales Lernen, Mitarbeitererlebnis und Führungsentwicklung sind keineswegs völlig neuartige Themen, jedoch stellen sie sich nun im neuen Kontext des «sozialen Unternehmens» dar. Soziale Unternehmen verbinden Umsatzwachstum und Profitabilität mit einem klaren sozialen Fokus ihrer Unternehmensstrategie. Sie stellen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und übernehmen eine gestaltende Rolle in der Gesellschaft, beispielsweise durch Pro-bono-Dienstleistungen in ihrem Kompetenzbereich. Auch intern agieren sie zunehmend sozial, zum Beispiel durch die Schaffung eines gleichberechtigten Arbeitsumfelds, mehr Möglichkeiten für soziales Engagement sowie die Förderung gemeinschaftlicher Zusammenarbeit auf allen Unternehmensstufen.

Soziale Unternehmen erwarten stärkeres Wachstum

Inzwischen sieht die Mehrheit der CEOs ihren Einfluss auf die Gesellschaft als ihren wichtigsten Erfolgsmassstab, beispielsweise in den Bereichen Einkommensgleichheit, Diversität oder Umwelt. Auch ein positiver Einfluss auf die Geschäftsergebnisse wird festgestellt: 73 Prozent der branchenführenden sozialen Unternehmen erwarten für 2019 ein stärkeres Unternehmenswachstum als 2018; verglichen mit nur 55 Prozent derjenigen, bei denen der Wandel zu einem sozialen Unternehmen keine Priorität hat.

Die Ergebnisse der Studie zu Human Capital Trends 2019 stellen heraus, wie sich Unternehmen in drei konkreten Bereichen mit einem sozialen Fokus neu erfinden sollten: Im Bereich Belegschaft müssen sich Unternehmen mit den gesellschaftlichen Bedingungen auseinandersetzen, die Jobs, den Arbeitsmarkt sowie Führung verändern. Im Bereich Organisation beeinflussen Teams, Netzwerke und neue Vergütungsansätze den Unternehmenserfolg. Und um eine führende Rolle einnehmen zu können, müssen im Bereich HR Technologien, Fähigkeiten und der Fokus zur Steuerung von Transformationen neu gedacht werden.

Die Zukunft der Belegschaft

In Zeiten des Fachkräftemangels sind für Unternehmen alternative Beschäftigungsformen wie zum Beispiel Freelancer entscheidend. Jedoch geben lediglich acht Prozent an, etablierte Prozesse für das Management und die Entwicklung alternativer Arbeitskräfte zu haben. Unternehmen müssen diese aber strategischer einsetzen und ihnen ähnliche Bedingungen zugestehen wie Festangestellten. Gleichzeitig verändert sich die Arbeit selbst: 64 Prozent der Befragten geben an, dass Automatisierung wichtig oder sehr wichtig ist. Heutige Jobs sind stärker technologiegestützt und datengetrieben, gleichzeitig werden menschliche Kompetenzen wie Problemlösung, Kommunikation, Interpretation, Empathie und Design gefragter denn je. Dadurch entstehende «Superjobs» nutzen technologische Effizienzeffekte sowie klassisch menschliche Kompetenzen und kombinieren Teile traditioneller Jobs neu. Dadurch verändert sich auch der Kontext für Führungskräfte: 80 Prozent aller Befragten sind der Meinung, dass Führung im 21. Jahrhundert neuartige Anforderungen beinhaltet. Komplexität, Veränderung und Ambiguität prägen das Umfeld – Zusammenarbeit über Bereiche und Geografien hinweg sowie Verständnis digitaler Technologien werden wichtiger.

Die Zukunft der Organisation

Unternehmen investieren zunehmend in Programme zur Verbesserung des Arbeitserlebnisses ihrer Mitarbeitenden. Jedoch geben nur 38 Prozent an, genug Autonomie zu haben, um gute Entscheidungen zu fällen, und nur 42 Prozent sind zufrieden mit der Gestaltung ihres Jobs. Mitarbeitende wollen zunehmend die Bedeutsamkeit ihrer Arbeit für das Unternehmen und die Gesellschaft erkennen. Sie suchen nach einem Gefühl der Sinnhaftigkeit, nach Selbstverwirklichung und Zugehörigkeit. Im Sinne der gemeinsamen Zielerreichung werden in Unternehmen Hierarchien abgebaut, und Teamarbeit nimmt zu: 74 Prozent der Befragten beobachten eine Leistungsverbesserung nach der Einführung von Team- oder Netzwerkstrukturen. Um die Veränderung dauerhaft zu stützen, braucht es eine bessere Weiterbildung von Führungskräften, neue Job-Designs und intelligente Vergütungssysteme. Als grösste Barriere bei der Anpassung der Vergütungsstrategie nennt ein Viertel der Befragten, dass sie nicht verstehen, was der Belegschaft wichtig ist. Mitarbeitende betrachten Entlohnung längst nicht mehr nur als Geld, sondern erwarten massgeschneiderte Angebote mit zusätzlichem Urlaub oder individuellen Trainings. Unternehmen müssen also Vergütungssysteme so anpassen, dass sie den Erwartungen entsprechen und das in der neuen Arbeitswelt vorteilhafte Verhalten belohnen.

Die Zukunft des HR

Kontinuierliches, lebenslanges Lernen wird immer relevanter. 90 Prozent aller befragten Unternehmen gestalten ihre Jobs um, denn die heute auf dem Arbeitsmarkt erforderlichen Kompetenzen könnten in einigen Jahren bereits veraltet sein. Das Lernen muss immer stärker in die Arbeit integriert, persönlicher angepasst und von den Mitarbeitenden selbst getrieben werden. Ein möglicher Ansatz ist interne Mobilität: Unternehmen identifizieren für gesuchte Profile interne Mitarbeitende mit relevanten Kompetenzen. Die so aufgewertete Beschäftigung ermöglicht Lernen on-the-job, fördert die Motivation der Mitarbeitenden und eröffnet neue Talentquellen für das Recruiting. Als grösste Herausforderung von Recruitern wird nämlich mit 61 Prozent das Finden qualifizierter Kandidaten mit Berufserfahrung genannt. HR-Cloud-Technologien unterstützen den Umgang mit den genannten Trends, haben ihr Potenzial aber noch nicht überall erreicht. 65 Prozent der Befragten geben an, dass ihre HR-Technologie unzureichend oder nur teilweise geeignet ist, ihre übergeordneten Ziele zu erreichen. Um Innovation, Produktivität und Effizienz zu optimieren, sollten Unternehmen ein HR-Cloud-System auswählen, das ausbaubar ist, um Technologien wie Automatisierung und künstliche Intelligenz künftig stärker nutzen zu können.

Veränderungen schrittweise umsetzen

Die Herausforderungen scheinen riesig, wo also beginnen? Als ersten Schritt sollten sich Führungskräfte und CEOs überlegen, wo sie ihr Unternehmen in zehn Jahren sehen, welche Rolle es in der Gesellschaft spielen soll und welche Veränderungen es dafür in den drei Bereichen Belegschaft, Unternehmen und HR braucht. Dann sollten sie zwei oder drei Initiativen identifizieren, die sie innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Monate angehen können. Mögliche Leitfragen hierzu sind:

  • Wie verändern sich unsere Jobs durch Automatisierung? Welche Belegschaft und welche Führung ist dafür nötig und wie müssen wir unseren physischen Arbeitsplatz daran anpassen?
  • Wie spielen Effizienz- und Kostenziele, Kundenzufriedenheit sowie das Bedürfnis unserer Mitarbeitenden nach bedeutungsvoller Arbeit zusammen?
  • Welche Team-, Zusammenarbeits- und Führungsstrukturen brauchen wir, um Innovation und Ideengenerierung zu fördern und eine produktive und zufriedene Belegschaft zu entwickeln?
  • Wie wird sich das HR zukünftig verändern, welche Verantwortlichkeiten und welchen Einfluss wird es im Unternehmen haben? Welche Kompetenzen und Technologien werden benötigt?

Die Veränderungen der Arbeit, der Mitarbeitenden und der Organisationen sind als klare Aufträge ans HR zu sehen, sich aktiver einzubringen und die künftigen Entwicklungen zu prägen. Gleichzeitig muss auch die Unternehmensleitung die genannten Themen als hoch relevant einschätzen und aktiv angehen, damit das Gesamtunternehmen bestmöglich für die Zukunft der Arbeit vorbereitet ist.

Die Studie: Deloitte Human Capital Trends 2019

Die jährlich erscheinende globale Human Capital Trendstudie von Deloitte basiert in der aktuellen Auflage auf der Befragung von fast 10 000 Teilnehmern aus 119 Ländern. Die Ergebnisse zeigen die aktuellen Herausforderungen von Unternehmen und insbesondere des HR in einer Zeit tief greifender und anhaltender ökonomischer, sozialer und politischer Veränderungen auf. Der Bericht präsentiert konkrete Lösungsansätze zum Umgang mit diesen Herausforderungen.

 

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli/August 2019 von personalSCHWEIZ erschienen.

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