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Gamification in der Rekrutierung von Tech-Talenten: Videospiel im Metaverse

Wenn es um Tech-Talente geht, konkurrieren Unternehmen auch in der Schweiz zunehmend mit lokal ansässigen internationalen Tech-Grössen wie Google, Meta, Amazon oder Zalando. Um IT-Top-Experten, insbesondere jüngere Talente, im dynamischen Markt zu gewinnen, müssen neue Wege beschritten werden. Wie die Bank Julius Bär eine Videospiel-Plattform nutzt, um künftige Fachkräfte auf sich aufmerksam zu machen.

Von: Guido Ruoss   Teilen  

Guido Ruoss

Guido Ruoss, lic. oec. HSG, CFA, ist Global Head Human Resources bei Julius Bär. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen (HSG) und arbeitete bei verschiedenen Unternehmen in der Finanzbranche, bevor er 2008 zur Bank Julius Bär stiess. Dort war Guido Ruoss zuerst verantwortlich für das Business Development im Portfolio Management und das Business & Product Management der Division Investment Solutions Group (ISG). Seit 2015 ist er weltweiter Personalchef und damit verantwortlich für rund 7000 Mitarbeiter:innen.

Gamification in der Rekrutierung von Tech-Talenten

©Roblox

Gamification hat in der Rekrutierung im angelsächsischen Raum und in der Tech-Branche schon vor Längerem Einzug gehalten. Bereits 2004 hat Google mit seinem berühmten mathematischen Plakat-Rätsel für Jobinteressenten gezeigt, dass der Einsatz ansprechender Spieltechniken bei der Suche nach den fähigsten Spezialisten Aufmerksamkeit erregen und Vorteile bringen kann.

Nun ist die Bank Julius Bär im Kampf um IT-Experten nicht in einer vergleichbaren Situation wie Google und gilt die Finanzbranche oftmals als noch traditioneller als andere Branchen. Aber auch Julius Bär hat sich einen spielerischen Ansatz für die Rekrutierung zunutze gemacht, um sich bei der enormen Nachfrage nach IT-Spezialisten, einem eigentlichen «War-for-talents» im wahrsten Sinne des Wortes, ins Spiel zu bringen.

Der Kampf um Tech-Talente ist hart, und Julius Bär hat in der Vergangenheit immer wieder in kreative und unkonventionelle Rekrutierungswege investiert. Dazu gehören etwa Hackatons oder strategische Kontakte zur Fintechszene insbesondere in der Schweiz, aber auch international beispielsweise im asiatischen Raum, der punkto Digitalisierung sehr weit fortgeschritten ist. Das jüngste, im April 2022 lancierte, Gamification-Projekt der Bank basiert auf einer ursprünglich von einem Mitarbeiter eingebrachten Idee. Das Resultat: Julius Bär präsentiert sich als erste Bank überhaupt per Videospiel auf der weltweit meistgespielten Videospielplattform Roblox. Seit Aufkommen des Vorschlags haben die HR- und IT-Verantwortlichen die Lancierung vorangetrieben – in der Überzeugung, dass ein massgeschneidertes Spiel eine überraschende Möglichkeit sein kann, den Bekanntheitsgrad und die Attraktivität eines Unternehmens als Arbeitgeber bei den gesuchten Tech-Spezialisten zu erhöhen.

Ein Reservoir an IT-Affinität
Mit der eigenen «Be Bär Challenge» wollte sich die Bank in einem «Super Mario»- Look der jungen spielenden Zielgruppe näherbringen. Die Verbindung von Spielerischem und Privatbank mag nicht intuitiv erscheinen, doch es gibt sie: Spiele erfordern Neugierde, Beweglichkeit und den Drang, die nächste Stufe zu erreichen. Und ebendiese Fähigkeiten sind in einem Bankenumfeld sehr gefragt, umso mehr, wenn es um IT-Jobs geht. Wie für viele Unternehmen ist für Julius Bär die digitale Transformation auf allen Ebenen der Organisation von zentraler strategischer Bedeutung. Ein hochstehendes und starkes digitales Umfeld kommt allen zugute – der Branche, dem Unternehmen und seinen Kunden. Das heisst umgekehrt, dass das Bankwesen auch einen hervorragenden Karriereweg für IT-Experten bieten kann.

Der Entscheid für die Nutzung von Roblox war rasch gefällt, da die globale Online- Plattform Millionen von virtuellen Erlebnissen bietet, die auf einer Vielzahl von Geräten, einschliesslich PC, Xbox und Mobiltelefonen, verfügbar sind. Roblox wurde 2004 von David Baszucki und Erik Cassel gegründet. Damals gab es einen grossen Hype um das Spiel «Second Life». Aktuell hat die Plattform 55 Millionen aktive Nutzer – pro Tag! Und in diesem grössten und am schnellsten wachsenden Metaverse gibt es 9,6 Millionen Entwickler, die diese virtuellen Welten programmieren. Die meisten von ihnen verbringen auch ihre Freizeit auf der Plattform, darunter folglich ebenfalls viele zu avisierende IT-Talente.

Die eigens entwickelte Be Bär Challenge ruft nun tatsächlich die gewünschte Nostalgie für Mario und Luigi hervor. Zusammen mit den E-Sports- und Gaming-Spezialisten «Skillshot» und «Blocksport» wurde das Spiel als kleiner, inspirierender Platz im riesigen Metaverse von Roblox geschaffen und gestartet. Und obwohl analytisches Denken, Agilität und Schnelligkeit im Spiel von Vorteil sind, sollte den Teilnehmenden ein unterhaltsames Erlebnis geboten werden.

In der 3D-Welt von Julius Bär erstellen die Spielerinnen und Spieler ihren eigenen Avatar, der verschiedene Räume im virtuellen Hauptsitz der Bank in Zürich betritt. Beim Start des Games befinden sich die Teilnehmenden vor dem identisch nachgebildeten Julius-Bär-Hauptgebäude an der Bahnhofstrasse. Sie können in die Schaufenster schauen und das Gebäude betreten. Dort gelangen sie in einen ersten Ausstellungsraum, in dem sie die Geschichte der Bank kennenlernen und erleben können. Im Showroom erfahren sie mehr über die Beschäftigungsmöglichkeiten und die Vorteile von Julius Bär. Es sind für Kandidaten relevante Attribute abgebildet wie ein unternehmerisches Umfeld, kleine Teams, die agiles Arbeiten ermöglichen, und hochstehende Technologien in der Cloud oder Bibliotheken mit den neusten Infrastrukturelementen. Das eigentliche Spiel ist in vier Levels unterteilt, die wichtige Fähigkeiten testen, die ein zukünftiger IT-Mitarbeitender haben muss. Im ersten Level geht es um die Anpassungsfähigkeit der Nutzer. Sie müssen sich in einem Labyrinth zurechtfinden und verschiedene Situationen meistern. In der zweiten Stufe braucht es Fähigkeiten wie strategisches Denken und Effizienz. Im dritten Level gilt es Zusammenhänge zwischen Wörtern zu finden und die Kommunikationsfähigkeiten einzusetzen. Das letzte Level ist natürlich das schwierigste: Die Spieler müssen ihre Stressresistenz und ihre Fähigkeit zum Multitasking unter Beweis stellen. Ein wichtiger Aspekt eines Games für die Spielenden ist schliesslich die Messbarkeit: In der Challenge gibt es deshalb kleine Preise zu gewinnen, und die Leistung wird mit einem Ranking sichtbar gemacht.

Game on
Das Spiel wurde vor der Lancierung Ende März an der ETH MindPhair für Tech-Studenten vorgestellt. Es ging einerseits darum, von dieser Zielgruppe wertvolles Feedback zu erhalten. Und die Rückmeldungen waren durchgehend positiv – von «Eine kreative Art, sich in Erinnerung zu rufen» über «Es war spannend zu entdecken, was Julius Bär macht und welche Möglichkeiten es für Mitarbeitende gibt» bis zu «Aussergewöhnlich, diese Herausforderung im Spiel zu meistern, und erfrischend, es zu tun». Zusätzlich bot die Präsentation bei den ETH-Studenten die Gelegenheit, die Befragten auch potenziell zu rekrutieren.

Und wie kam die Be Bär Challenge im Metaverse und bei Tech-Talenten in der (virtuellen) Realität an? Das Spiel wurde lediglich durch einen selektiven Versand einer Medienmitteilung und Weiterverbreitung über die eigenen Unternehmenskanäle sowie einen im Gaming-Bereich aktiven Influencer beworben. Und doch haben in den ersten 2½ Monaten mehr als 1400 interessierte Tech-Talente das Game durchgespielt. Davon haben sich rund 200 Personen für einen IT-Job bei Julius Bär beworben und angegeben, dass ihre Bewerbung auf die Roblox-basierte Interaktion mit der Bank zurückzuführen ist.

Ein Erfolg, der sich sehen lässt. Das Fazit somit: Julius Bär ist es gelungen, mit dem Spielexperiment die angepeilten Ziele, bekannter zu werden und das Interesse von Kandidaten für IT-Jobs zu gewinnen, zu erreichen. Das Potenzial von Gamification in der Rekrutierung ist aber mit diesem ersten Schritt keineswegs ausgeschöpft. Noch ausgefeiltere Spiele oder ein systematischer, nachgelagerter Assessment-Prozess der Spielergebnisse könnten die Fähigkeiten von Bewerberinnen und Bewerbern noch präziser abtesten und den Rekrutierungsprozess für alle Seiten vereinfachen und verkürzen. Let the games begin!

(Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September 2022 von personalSCHWEIZ erschienen)

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