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Ist Online-Shoppen, Surfen und Wäscheaufhängen erlaubt?: Privates während der Arbeitszeit

Ein geschäftlicher Telefonanruf oder eine wichtige E-Mail an den Vorgesetzten am Abend zu Hause in der Freizeit — oder aber ein privates Telefon oder ein kurzes Online-Shoppen am Tag während des Arbeitens. Geschäftliches und Privates werden manchmal durchmischt und im Homeoffice wohl noch mehr als im Büro. Doch welche privaten Tätigkeiten sind eigentlich erlaubt?

Von: Stefan Rieder   Teilen  

Dr. Stefan Rieder, LL.M.

Dr. Stefan Rieder, LL.M., Fachanwalt SAV Arbeitsrecht arbeitet als Rechtsanwalt und Notar bei der Kanzlei Schwager Mätzler Schneider in den Bereichen Arbeits-, Sozialversicherungs-, Vertrags- und Gesellschaftsrecht.

Ist Online-Shoppen, Surfen und Wäscheaufhängen erlaubt?

Der Arbeitsvertrag ist ein Austauschverhältnis: Der Mitarbeitende leistet Arbeit und bekommt dafür von der Arbeitgeberin einen Lohn. Wenn die Arbeitsleistung ausbleibt, gilt der Grundsatz: ohne Arbeit kein Lohn – wobei es natürlich Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt und Mitarbeitende während der Ferien, bei Arbeitsverhinderungen oder im Rahmen von anderen bezahlten Absenzen den Lohn auch ohne Arbeitsleistung erhalten. Der Lohn muss also verdient werden, wobei im Arbeitsverhältnis eben kein bestimmter Erfolg geschuldet ist, sondern nur ein sorgfältiges Arbeiten während der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Von diesem Grundsatz her ist die rechtliche Beurteilung eigentlich klar: Durch private Tätigkeiten wird keine Arbeit geleistet, und die Arbeitspflicht wird nicht erfüllt, weshalb auch kein Lohn bezahlt werden muss.

Als Arbeitszeit gilt nach Art. 13 Abs. 1 ArGV 1 die Zeit, während derer sich der Mitarbeitende zur Verfügung der Arbeitgeberin zu halten hat. Es obliegt also der Arbeitgeberin, dem Mitarbeitenden Arbeit zuzuweisen und gegebenenfalls mittels Weisungsrecht anzuordnen, was der Mitarbeitende genau machen muss. Als Grundsatz gilt ein Verbot privater Erledigungen während der Arbeitszeit, und zwar unabhängig vom Arbeitsort (im Unternehmen oder im Homeoffice) und unabhängig vom Arbeitszeitmodell. Private Erledigungen sind in der Pause oder Freizeit zu erledigen – für privates Surfen im Internet oder das Onlineshopping während der Arbeitszeit gibt es weder einen Grund noch eine Erforderlichkeit.

Multitasking – Arbeiten und zeitgleich Privates
Die gelebte Praxis sieht dann aber oft anders aus, und die Grenzen zwischen Arbeitszeit und privaten Arbeitspausen verschwimmen oder verschwinden sogar. Kurze Arbeitsunterbrüche zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse wie etwa der Gang zum WC, das Auffüllen einer Wasserflasche oder das Öffnen eines Fensters zum Atmen von frischer Luft können bedenkenlos während der Arbeitszeit gemacht werden. Wenn solche kurzen Arbeitsunterbrechungen aber ausgenutzt werden, und die WC-Pause wird zum Zeitunglesen oder Surfen mit dem Smartphone auf dem stillen Örtchen ausgedehnt, dann ist ein solcher Arbeitsunterbruch nicht unerlässlich und müsste als Pause ausserhalb der Arbeitszeit in der Zeiterfassung erfasst werden. Dasselbe gilt, wenn im Homeoffice zwischen den Teams-Meetings die Waschmaschine gefüllt und die gewaschene Wäsche aufgehängt wird, es sei denn, diese Aktivitäten können ohne nachlassende Konzentration und ohne Lärmbelästigung mit einem Headset während eines Telefongesprächs gemacht werden. Ob das wirklich gelingt, kann angezweifelt werden. Privates erledigen während der Arbeitszeit könnte also in Ordnung sein, wenn daneben trotzdem sorgfältig gearbeitet wird. Eine Arbeitgeberin darf aber natürlich auch die Weisung erteilen, dass während der Arbeitszeit nur Arbeit geleistet wird und das Erledigen von privaten Arbeiten nur in Pausen oder in der Freizeit erlaubt ist. Vor diesem Hintergrund darf eine Arbeitgeberin auch verlangen, dass Homeoffice nur erlaubt ist, wenn die Kinderbetreuung durch eine andere Person sichergestellt ist, weil eine Kinderbetreuung während des Homeoffice wohl kaum der Arbeit gerecht wird und dem Kind schon gar nicht. Etwas anderes ist es wiederum, wenn der Mitarbeitende wegen eines kranken Kindes zu Hause bleibt (wozu nach Art. 36 Abs. 3 ArG ein Recht bestehen kann) und – sofern die Betreuung des kranken Kindes das zulässt – dennoch zumindest etwas arbeiten kann.

Anspruch auf ausserordentliche Freizeit ist nicht gleich bezahlte Arbeitszeit
Gewisse (kurze) private Erledigungen sind aber ohne Weiteres auch während der Arbeitszeit erlaubt, wie zum Beispiel ein kurzes Telefonat mit der Steuerbehörde, der Bank oder Versicherung, zumal diese ausserhalb der Arbeitszeiten in der Regel ja nicht offen haben. Man kann sich aber fragen, ob ein Telefonanruf wirklich erforderlich ist oder ob auch am Abend eine private E-Mail geschrieben werden kann. Das Durchsehen von privaten E-Mails, das (neidische) Geniessen der Statusmeldungen von WhatsApp-Kontakten oder von Instagram-Storys muss definitiv auf die ausgestempelte Pause oder auf die Freizeit verlegt werden. Sofern Behördengänge, Arztbesuche oder sonstige wichtige Termine erforderlich sind, dann können diese nicht ohne Weiteres während der Arbeitszeit erledigt werden, aber in der Regel hat der Mitarbeitende Anspruch auf ausserordentliche Freizeit, um diese Termine wahrzunehmen. Die Arbeitszeit ist dann also vor- oder nachzuholen bzw. mit einem Stundenguthaben zu kompensieren. Vorbehalten bleiben natürlich allfällige Bestimmungen im Arbeitsvertrag oder Personalreglement, die zugunsten des Mitarbeitenden festhalten, dass solche Termine während der Arbeitszeit wahrgenommen werden dürfen. Oder aber je nach Termin (z.B. Arzt- oder Therapietermin) kann unter Umständen eine Lohnfortzahlungspflicht infolge einer Teilarbeitsunfähigkeit bestehen.

Dass Privates zulässigerweise während der Arbeitszeit erfolgt, kann sich allenfalls auch durch eine Duldung oder durch eine betriebliche Übung ergeben. Ein Beispiel könnte sein, dass private Dokumente während der Arbeitszeit ausgedruckt werden. Dabei wird nicht nur Arbeitszeit, sondern auch der Drucker und Papier der Arbeitgeberin in Anspruch genommen. Wenn Raucher zum Beispiel ihre Rauchpausen während der Arbeitszeit machen und diese Rauchpausen nicht als Pausen in der Zeiterfassung erfassen, dann kann das ohne Weiteres zulässig sein, wenn die Arbeitgeberin davon Kenntnis hat und das ohne Weiteres duldet. Bei solchen geduldeten privaten Tätigkeiten während der Arbeitszeit – wozu häufig auch eine (umfangmässig geringe) private Nutzung des Internets zählt – ist es in der Regel eine Frage des gesunden Masses. Wenn ein geringes geduldetes Mass überschritten wird, dann wird die Arbeitspflicht schlichtweg verletzt. Die Arbeitgeberin kann einen entstandenen Wildwuchs aber auch beenden und zum Beispiel die Weisung erteilen, dass eine Rauchpause oder generell das Erledigen von Privatem immer als Pausen erfasst werden muss.

Ordentliche oder fristlose Kündigung droht
In jedem Fall verboten ist, wenn während der Arbeitszeit eine Nebenbeschäftigung ausgeübt wird. Abgesehen davon, dass eine Nebenbeschäftigung unter Umständen sowieso nicht erlaubt ist, weil sie nach Art. 321a OR gegen die Treuepflicht verstösst (zum Beispiel, weil diese konkurrenzierend ist oder in einem derart grossen Umfang geleistet wird, dass die arbeitsgesetzliche Höchstarbeitszeit nicht eingehalten werden kann) oder gegen eine im Personalreglement vorgesehene Melde- oder Genehmigungspflicht verstösst, darf während der Arbeitszeit nicht Arbeit für einen Dritten geleistet werden. Dies kann aber auch wenig nachvollziehbar oder in einem sehr geringen Umfang sein, wenn während der Arbeitszeit zum Beispiel auf dem Smartphone eine bezahlte Umfrage beantwortet oder auf dem Geschäftscomputer ein bezahlter Nutzungstest für Unternehmen wie etwa TestingTime gemacht wird. Es spielt keine Rolle, wie hoch oder gering ein Nebenerwerb ist. Ein solcher muss während der Freizeit erfolgen (wenn er überhaupt zulässig ist), und die Pausen und Ruhezeiten gemäss Arbeitsgesetz müssen dennoch eingehalten werden. Bei einer Nebenbeschäftigung während der Arbeitszeit kann eine fristlose Kündigung ohne vorgängige Verwarnung drohen. Bei weniger gravierenden privaten Tätigkeiten droht eine Verwarnung, allenfalls mit späterer fristloser Kündigung im Wiederholungsfall, oder eine ordentliche Kündigung, allenfalls verbunden mit einem Lohnabzug, wenn eben zu wenig gearbeitet worden ist.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai 2023 von personalSCHWEIZ erschienen.

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