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Aufhebungsvereinbarungen im Arbeitsrecht: Was bei der Alternative zur Kündigung zu beachten ist

Wer ein Arbeitsverhältnis auflösen möchte, kündigt. Neben dieser praktisch häufigsten Beendigungsform gewinnt eine andere Art der Vertragsauflösung an Bedeutung: die Aufhebungsvereinbarung. Wann bietet sich dieses Vorgehen an? Und welche Stolpersteine gilt es zu beachten?

Von: Isabelle Oehri   Teilen  

Isabelle Oehri, Rechtsanwältin, M.A. HSG in Law & Economics

Isabelle Oehri, Rechtsanwältin, M.A. HSG in Law & Economics, Hochschule Luzern – Wirtschaft.

Aufhebungsvereinbarungen im Arbeitsrecht

Grundsätzlich lässt sich jeder Vertrag so aufheben, wie er geschlossen wurde, nämlich durch Übereinkunft. Dass Vertragsparteien ihre Verträge jederzeit auflösen und die Folgen prinzipiell beliebig festlegen können, sofern sie sich nur darüber einig sind, ist Ausfluss der Vertragsfreiheit nach Art. 19 des schweizerischen Obligationenrechts (OR).1 Obwohl in den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des OR nicht explizit erwähnt, gilt dies unbestritten auch für Arbeitsverträge.

Vielfältige Gründe und Motive
Die Gründe, weshalb eine Aufhebungsvereinbarung der Kündigung vorgezogen wird, können vielfältig sein. Neben dem psychologischen Aspekt einer Trennung auf Augenhöhe geht es oft darum, die Konsequenzen im Einzelfall flexibel festzulegen und dabei alle offenen Punkte gesamthaft und endgültig zu bereinigen. Arbeitnehmer haben häufig dann ein Interesse an einer Aufhebungsvereinbarung mit sofortiger Wirkung, wenn sie bereits eine neue Stelle haben, die sie so bald als möglich antreten möchten. Gerade für Arbeitgeberinnen ist eine Aufhebungsvereinbarung gegenüber einer Kündigung deutlich rechtssicherer. Denn während ein gekündigtes Arbeitsverhältnis beispielsweise bei Krankheit oder Schwangerschaft erstreckt wird, gelten die Sperrfristen von Art. 336c OR nicht für Aufhebungsvereinbarungen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann eine Aufhebungsvereinbarung teils sogar noch während bereits laufender Sperrfrist abgeschlossen werden.2 Ebenso können Aufhebungsvereinbarungen nicht wegen Missbräuchlichkeit nach Art. 336 OR angefochten werden, dies schlicht deshalb, weil der sachliche Kündigungsschutz wie der zeitliche eben nur bei Kündigungen greift.

Strenge Zulässigkeitsanforderungen
Obschon eine Aufhebungsvereinbarung somit in vielen Situationen auch arbeitnehmerseitig vorteilhaft sein kann, knüpft die Gerichtspraxis sie aus Arbeitnehmerschutzerwägungen an gewisse Voraussetzungen.

Eindeutige Willensbekundung
Mangels eigentlicher Formvorschriften könnten Aufhebungsvereinbarungen zwar prinzipiell in beliebiger Form, d.h. auch mündlich oder gar konkludent, geschlossen werden. Weil der Arbeitnehmer damit jedoch auf zentrale Ansprüche verzichtet, verlangen Lehre und Praxis eine besonders klare, eindeutige Willensbekundung.3 Es empfiehlt sich daher ein schriftlicher Vertrag.

Überlegungsfrist
Als weitere Hürde zum Schutz des Arbeitnehmers vor einer übereilten oder aufgezwängten Aufhebungsvereinbarung fordert das Bundesgericht, dass dem Arbeitnehmer eine genügend lange Überlegungsfrist eingeräumt wird.4 Wie viel Bedenkzeit konkret erforderlich ist, ergibt sich aus den einschlägigen Urteilen freilich nicht abschliessend. Diese Rechtsprechung wird in der Literatur denn auch als unklar, unnötig, unpraktikabel und gesetzgeberisch überschiessend kritisiert.Nichtsdestotrotz ist man als Arbeitgeberin gut beraten, den Arbeitnehmer nicht zu einer allzu raschen Unterzeichnung zu drängen.

Gegenseitige Zugeständnisse
Ebenfalls angesichts des virulenten Missbrauchspotenzials wird ferner verlangt, dass die beiden Parteien sich im Rahmen der Aufhebungsvereinbarung gegenseitig entgegenkommen.Dieses Erfordernis lehnt sich an die Praxis zum arbeitsrechtlichen Verzichtsverbot (Art. 341 Abs. 1 OR) an, gemäss dem der Arbeitnehmer jedenfalls nicht auf bereits entstandene, zwingende Ansprüche verzichten kann. Das Entgegenkommen des Arbeitnehmers umfasst häufig primär den Verzicht auf Rechte wie Sperrfristen und Lohnfortzahlung bei Krankheit. Dies ist durch eine angemessene, regelmässig finanzielle Gegenleistung der Arbeitgeberin auszugleichen. Als Faustregel kann der Gegenwert jener Ansprüche dienen, die dem Arbeitnehmer bei einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung zugekommen wären. Jedoch hängen die gegenseitigen Zugeständnisse stark von den Umständen des Einzelfalls ab: So ruft etwa eine Aufhebungsvereinbarung, die seitens der Arbeitgeberin in einem Zeitpunkt initiiert wird, in dem sich bereits eine Sperrfrist abzeichnet, nach einer höheren Gegenleistung als eine Aufhebungsvereinbarung auf Wunsch des Arbeitnehmers, der sofort seine neue Traumstelle antreten möchte.

Keine Umgehung zwingender Gesetzesbestimmungen
Dass Aufhebungsvereinbarungen auch wegen ihrer befreienden Wirkung in puncto sachlichen und zeitlichen Kündigungsschutzes geschlossen werden, wurde schon erwähnt. Liegt darin das alleinige Ziel der einvernehmlichen Vertragsauflösung, ist diese jedoch als unzulässige Gesetzesumgehung zu qualifizieren.7 Mit anderen Worten müssen neben der Vereitelung von an sich zwingenden Bestimmungen weitere sachliche Gründe und vernünftige beidseitige Interessen für die Aufhebungsvereinbarung sprechen. Auf die Interessenlagen haben die vorgängig thematisierten Zugeständnisse grossen Einfluss, weshalb diese beiden Voraussetzungen eng zusammenhängen.

In der Praxis ist es daher ratsam, die Hintergründe, welche zur Aufhebungsvereinbarung geführt haben, in einer ausführlichen Präambel darzulegen.

Rechtsfolgen bei Unzulässigkeit
Erfüllt eine Aufhebungsvereinbarung die obigen Voraussetzungen nicht, ist sie gemäss bundesgerichtlicher Praxis grundsätzlich nichtig, und das Arbeitsverhältnis lebt wieder auf. Ein Teil der Lehre spricht sich indessen dafür aus, dass der Vertrag gleichwohl als beendet zu betrachten sei, aber dem Arbeitnehmer die umgangenen Ansprüche, etwa auf Lohnfortzahlung bei Krankheit oder auf eine Sperrfrist, zustehen.8

Unbedachte Risiken in der Praxis

Vorsicht bei Saldoklauseln
Ziel einer Aufhebungsvereinbarung ist es, alle Ansprüche zwischen den Parteien ein für alle Mal zu regeln. Dazu erklären sich die Parteien am Ende von Aufhebungsvereinbarungen oft als «per saldo aller gegenseitigen Ansprüche auseinandergesetzt». Solche Saldoklauseln sind sinnvoll, bergen aber Risiken, wird doch damit potenziell auf alle zukünftigen Ansprüche verzichtet, auch auf noch unbekannte. Bei der Formulierung ist daher auf eine präzise Umschreibung der erfassten und allenfalls der nicht erfassten Ansprüche zu achten. Zudem sollte stets klargestellt werden, dass die Saldoklausel erst mit Erfüllung der Aufhebungsvereinbarung wirksam wird. Denn hält eine Seite die Vereinbarung nicht ein, möchte die andere ihre Ansprüche selbstredend doch noch umfassend einfordern können.

Sozialversicherungsrechtliche Folgen
Ein in der Praxis wenig beachteter Aspekt sind die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen, die eine Aufhebungsvereinbarung nach sich ziehen kann.9 So kann sie dazu führen, dass der Arbeitnehmer nicht sofort zum Bezug von Arbeitslosengeldern berechtigt ist, da die Arbeitslosigkeit je nach konkreten Umständen als selbst verschuldet qualifiziert wird. Ebenfalls entfallen bei einer Aufhebung durch Vertrag Sozialversicherungsbeiträge, die während einer ordentlichen Kündigungsfrist zu zahlen gewesen wären. Anders als der Lohn für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist, der in den Verhandlungen um die Ausgleichszahlung oft als Referenzgrösse dient, werden die ausfallenden Sozialversicherungsbeiträge meist nicht bedacht. Je nach zeitlichen Dimensionen kann dies zu nicht unerheblichen Lücken führen. Um eine faire Lösung zu erreichen, sollten entsprechend auch die sozialversicherungsrechtlichen Implikationen in Aufhebungsvereinbarungen umfassend berücksichtigt werden.

DOS & DON’TS BEI AUFHEBUNGSVEREINBARUNGEN
Schliessen Sie die Aufhebungsvereinbarung schriftlich und achten Sie auf eine eindeutige Formulierung.

  • Übereilen Sie den Abschluss nicht und planen Sie eine angemessene Bedenkzeit ein.
  • Definieren Sie die gegenseitigen Zugeständnisse beider Seiten präzise und angemessen. Berücksichtigen Sie sämtliche Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch die sozialversicherungsrechtlichen Implikationen der Aufhebungsvereinbarung.
  • Beschreiben Sie in einer Präambel die Hintergründe und Interessenlagen der Parteien. Zeigen Sie dabei auf, dass die Aufhebungsvereinbarung nicht einzig auf die Umgehung zwingender gesetzlicher Bestimmungen gerichtet ist.
  • Verwenden Sie zur endgültigen Regelung aller noch offenen Ansprüche eine Saldoklausel. Formulieren Sie diese aber mit Bedacht.

Quellen und Hinweise
1 Vgl. auch Art. 115 OR.
2 Vgl. etwa BGer 8C_368/2011 vom 05.09.2011, E. 2.2; vgl. dazu auch weiter unten.
3 Vgl. etwa BGer 4A_362/2015 vom 01.12.2015, E. 3; BGer 4A_187/2010 vom 06.09.2010, E. 2.5; BGer 4A_474/2008 vom 13.02.2009, E. 3.1 f. Gemäss diesen Entscheiden bedeutet beispielsweise die Bestätigung des Erhalts einer Kündigung seitens des Arbeitnehmers ebenso wenig eine Aufhebungsvereinbarung wie die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer eine Kündigung mit Freistellung gegenzeichnet. Dass Letzteres gerichtlich als blosse einvernehmliche Regelung der Kündigungsmodalitäten qualifiziert wurde, verdeutlicht die hohen Anforderungen, die an die Eindeutigkeit der Willensbekundung gestellt werden.
4 Vgl. etwa BGer 4A_376/2010 vom 30.09.2010, E. 3; BGer 4A_103/2010 vom 16.03.2010, E. 2.2; BGer 4A_495/2007, 4A_497/2007, 4A_415/2008 und 4A_431/2008 vom 12.01.2009, E. 4.3.1.1; je mit weiteren Hinweisen.
5 Vgl. mit weiteren Hinweisen etwa Rudolph, R. (2017). Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag: Königsweg mit Absturzgefahr. Der Treuhandexperte TREX 2/2017.
6 Vgl. etwa BGer 8C_368/2011 vom 05.09.2011, E. 2.2; BGer 4A_376/2010 vom 30.09.2010, E. 3; BGer 4A_103/2010 vom 16.03.2010, E. 2.2.
7 Vgl. etwa BGer 8C_368/2011 vom 05.09.2011, E. 2.2.
8 Vgl. etwa Emmel, F. (2016). Kommentar zu Art. 335 OR, N. 4. CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht (3. Auflage). Zürich: Schulthess.
9 Vgl. dazu etwa Sommer, U., Steffen, D. & Staffelbach, D. (2007). Beendigung des Arbeitsverhältnisses mittels Aufhebungsvereinbarung. ww&p Employment News, Nr. 8, Dezember 2007.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai 2023 von personalSCHWEIZ erschienen.

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