Experten-Interviews

Juli-August 2023

Die Schweiz von ihrer Schokoladenseite zeigen: «Wir begeistern nicht nur für Ferienreisen»

Mit dem Ende der Restriktionen ist auch das Reisefieber zurückgekehrt. 2022 wurden hierzulande 38 Mio. Hotelübernachtungen registriert. Ab diesem Jahr sorgt auch Olivia von Gemmingen als Head of Human Resources bei Schweiz Tourismus (ST) dafür, dass die Schweiz im In- und Ausland als Feriendestination vermarktet werden kann. Wir haben mit ihr über Fachkräftemangel in der Tourismusbranche, nachhaltiges Reisen und Roger Federer gesprochen. Im Gespräch verrät sie, wie die Zusammenarbeit mit den 35 internationalen Niederlasssungen funktioniert und wie das Unternehmen am Puls der Zeit bleibt.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

Die Schweiz von ihrer Schokoladenseite zeigen

Frau von Gemmingen, die Sommerferien stehen vor der Tür – eine stressige Zeit für Sie?
Seit meinem Start bei Schweiz Tourismus (ST) Anfang Jahr läuft eigentlich immer ähnlich viel. Und jetzt stehen zudem meine eigenen Sommerferien an, da ist die Zeit vorher und die Zeit danach immer sehr intensiv. Ich erlebe dies jedoch als sehr positiven Stress. Und schliesslich habe ich ein hervorragendes Team, das auch während meiner Sommerferien für die Mitarbeitenden da ist.

Welche (HR-)Herausforderung beschäftigt Sie aktuell am meisten?
ST bearbeitet weltweit 23 Märkte und betreibt Tourismuswerbung in gesamthaft 35 Aussenstellen – diese weltweite Präsenz bedeutet immer wieder einige administrative Herausforderungen. Wir kümmern uns hier beispielsweise um Visa, behandeln spezielle Vertragssituationen oder planen intensiv die Nachfolgen von Markt- oder Niederlassungsleitungen. Innerhalb des HR-Teams ist jetzt auf den Sommer zudem die Implementierung einer neuen Struktur mit neuen Verantwortungs- und Aufgabenbereichen geplant.

Als Schweiz Tourismus versuchen Sie, Menschen im In- und Ausland für Ferien in Helvetien zu begeistern. Bei wem ist unser Land am beliebtesten?
Wir begeistern natürlich nicht nur für Ferienreisen, sondern werben auch für Kongress- und Seminartourismus in der Schweiz. Aber dies nur als kleine Präzisierung, die man nicht vergessen darf.

Die Beherbergungsstatistik des Bundesamts für Statistik (BFS) zählt jeweils die Hotelübernachtungen. Gemäss diesen Zahlen war und ist seit jeher der Markt Schweiz, also die einheimischen Gäste, der stärkste Markt für den Schweizer Tourismus. 2022 kamen so 21 Mio. Hotellogiernächte von Schweizer Gästen zustande. Mit der Pandemie hat sich die Begeisterung von Schweizerinnen und Schweizern für Ferien im eigenen Land noch intensiviert: Im Vergleich zu 2019, dem letzten «normalen» Jahr vor der Pandemie und bereits Rekordjahr, bildeten die Hotelnächte aus dem Markt Schweiz letztes Jahr ein Plus von beinahe 18%.

Bei den Reisenden aus dem Ausland bilden die deutschen Gäste mit 3,6 Mio. Hotellogiernächten im letzten Jahr den wichtigsten Markt. Gleich danach folgen Touristinnen und Touristen aus den USA mit 2,3 Mio. Hotelübernachtungen im Jahr 2022.*

Wie hoch liegt die Schweiz aktuell bei Einheimischen als Feriendestination im Kurs?
Aktuell liegen uns für das Jahr 2023 die Zahlen des BFS bis und mit April vor. Demnach generierten einheimische Gäste 6,7 Mio. Hotelnächte, das ist wiederum ein Plus von über 15% im Vergleich zur gleichen Zeit im Rekordjahr 2019. Es ist schön zu sehen, dass die grosse Begeisterung, mit der Herr und Frau Schweizer pandemiebedingt das eigene Land bereisen und erleben, weiter anhält – und dies auch trotz wieder erreichbarer «Strand-Konkurrenz» im Ausland.

Seit die Reiserestriktionen aufgehoben wurden, ist bei vielen wieder die Reiselust erwacht. Welche Veränderungen gibt es im Reiseverhalten im Vergleich zur Zeit vor Corona?
Das stimmt, der Nachholbedarf nach Ferien und Reisen ist und bleibt weltweit nach wie vor enorm hoch – gerade auch in Ländern, wo man erst seit Kurzem wieder reisen darf, so zum Beispiel China. Diese Gäste buchen vermehrt individuell, kommen immer öfter ausschliesslich in die Schweiz und bleiben hier länger. Zudem interessieren sie sich zunehmend für Naturerlebnisse und noch wenig bekannte Geheimtipps. Auch Rundreisen im Zug wie etwa auf unserer «Grand Train Tour of Switzerland» sind gerade in Überseemärkten ein richtiger Hit! 

Und die Nachfrage nach nachhaltigen Tourismusangeboten hat sich mit der Pandemie noch verstärkt. Zudem stehen andere Reiseformen, längere Aufenthalte und neue Herkunftsländer im Vordergrund – so etwa die spätestens seit letztem Jahr boomenden Märkte in Südostasien.

Wie muss man sich die Zusammenarbeit von Schweiz Tourismus mit den verschiedenen Dienstleistern wie z.B. der Hotellerie, Bergbahnen oder Veranstaltern von Freizeitaktivitäten vorstellen?
ST hat einen Bundesauftrag und erhält Bundesgelder zur Tourismuspromotion im In- und Ausland. Diese Bundesgelder machen etwa die Hälfte unseres Budgets aus – die andere Hälfte stammt von unseren Tourismuspartnern wie z.B. von Unterkünften, Bergbahnen oder Regionen. Zusätzlich arbeiten wir mit Wirtschaftspartnern mit Schweiz-Bezug zusammen, u.a. mit Victorinox, Kambly oder «Switzerland Cheese Marketing», um nur einige zu nennen. Die erwähnten wichtigen Akteure kaufen so als unsere Partner weltweite Marketingleistungen bei uns ein und sichern sich die internationale Sichtbarkeit ihrer Angebote, Produkte und Inhalte sowie den Zugang zu vielen relevanten Zielgruppen.

Die Tourismusbranche ist seit Corona besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen. Inwiefern spüren Sie dies auch in Ihrem Unternehmen?
Bei ST erleben wir zum Glück keinen ausgeprägten Fachkräftemangel, aber wir stellen fest, dass nun neue und andere Generationen auf den Arbeitsmarkt kommen. Diese bringen bekanntermassen auch immer neue Vorstellungen und Werte mit. Diese Entwicklungen verfolgen wir eng und mit grossem Interesse. Dank unserer Trainees – wir bilden 22 bis 24 Praktikantinnen und Praktikanten pro Jahr aus – sind wir hier «am Puls» und in der Lage, Einblicke zu gewinnen sowie uns, wo nötig, auszurichten und anzupassen. Themenfelder sind hier zum Beispiel der unkomplizierte Ferienkauf, unser Homeoffice-Reglement oder auch die Möglichkeit, kurzzeitig und vorübergehend in einer anderen Niederlassung zu arbeiten. Dieses «Market Office» steht allen Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung. Ausserdem beteiligen wir uns an Weiterbildungen und ermöglichen die Teilnahme an «Brown Bag Lunches», wo das Mittagessen in Kombination mit interessanten Vorträgen oder aktuellen Workshops offeriert wird.

Mit welchen weiteren Vorzügen können Sie als Arbeitgeber bei Kandidat*innen und Ihren Mitarbeitenden punkten?
Wir sind zwar ein einheimisches KMU, was die Grösse der Belegschaft und den Standort Zürich unseres Hauptsitzes betrifft. Durch unsere weltweite Arbeit und unsere zahlreichen Niederlassungen überall auf dem Globus bieten wir einiges an Vielfalt und Möglichkeiten. Es gibt wohl kaum eine vergleichbare Organisation, wo internationale Karrierewege so einfach zugänglich sind. Generell ermöglichen unsere flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswege grosse Freiräume für die eigene Aufgabengestaltung. Zudem sind bei uns sehr viele Kolleginnen und Kollegen langjährig tätig, es herrscht somit eine gute Arbeitskultur. Viele junge Menschen identifizieren sich zudem stark mit unserem «Produkt», dem Schweizer Tourismus, und bringen Leidenschaft mit für die Schweiz.

Welchen Stellenwert hat Personalentwicklung in Ihrem Unternehmen?
Dieser Stellenwert ist bei uns hoch – ST fördert Rotationen im Unternehmen und ermöglicht internationale Laufbahnen. Wir unterstützen den projektbezogenen Austausch über die Disziplinen hinweg sowohl vor Ort, aber dann gerade auch zwischen Hauptsitz und unseren Märkten sowie den Niederlassungen untereinander. Aus diesen Erfahrungen lernen wir, bilden uns kontinuierlich weiter und teilen dieses Wissen über alle Stufen hinweg. Wir befähigen und fördern Mitarbeitende, die sich engagieren, eigenständig denken, unternehmerisch handeln und ihre Ziele erreichen.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Ihren Aussenstellen im Ausland?
Die Präsenz von ST in 23 Märkten und 35 Aussenstellen weltweit ist eine der Stärken und einer der Wettbewerbsvorteile gegenüber der internationalen Konkurrenz: Wir kennen den Puls vor Ort, wissen um die Trends und Bedürfnisse sowohl bei den potenziellen Gästen als auch den lokalen Reiseveranstaltern, Medien und Content Creators.

In diesem Sinne sind wir alle täglich und intensiv im Kontakt mit unseren Experten und Kolleginnen im Ausland. In unserer Geschäftsleitung sind die Arbeit sowie alle Anliegen der Aussenstellen sogar mit zwei Mitgliedern vertreten. Sowohl inhaltlich mit der internationalen Tourismuswerbung als auch unternehmerisch sind wir dadurch eine sehr globale Organisation. Ob im Marketing für unsere Kampagnen, bei IT und natürlich HR für die täglichen Anliegen und Bedürfnisse oder in unserer «Live Communication» für internationale Events, wir sind im ständigen Austausch und arbeiten eng mit unseren Niederlassungen im Ausland zusammen.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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