Praxisfälle

Leitfaden zu Corona-Massnahmen am Arbeitsplatz: Sicher zurück ins Büro

Darf ich Mitarbeitende zur Rückkehr ins Büro zwingen? Wie sieht es mit einer Impf- und Testpflicht aus? Das Ende der Homeoffice-Pflicht wirft Fragen auf, die aus dem Blickwinkel des Arbeits- und Datenschutzrechts beantwortet werden.

Von: Sarah Drukarch, Petra Spring   Teilen  

Sarah Drukarch

Sarah Drukarch ist Senior Associate bei Pestalozzi Rechtsanwälte AG in Zürich. Sie ist spezialisiert auf geistiges Eigentum, berät und vertritt Klienten als Rechtsanwältin aber auch häufig in Fragen des Datenschutzes und des Gesundheitsrechts.

Petra Spring

Petra Spring ist Senior Associate bei Pestalozzi Rechtsanwälte AG in Zürich. Als Rechtsanwältin ist sie seit mehr als zehn Jahren auf die Beratung und Vertretung in den Bereichen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht spezialisiert.

Leitfaden zu Corona-Massnahmen am Arbeitsplatz

Seit einiger Zeit hat der Bundesrat die Homeofficepflicht in eine Empfehlung umgewandelt. Mit der Rückkehr der Mitarbeitenden an den Arbeitsplatz stellt sich für den Arbeitgeber die Frage, welche Schutzmassnahmen zu ergreifen sind, um der gesetzlichen Pflicht zur Schaffung eines sicheren Arbeitsumfelds nachzukommen. Dieser Leitfaden soll erste Antworten auf häufige Fragen bei der Rückkehr der Mitarbeitenden an den Arbeitsplatz und diesbezüglich zu treffende Schutzmassnahmen sowie deren arbeits- und datenschutzrechtliche Zulässigkeit geben.1

Rückkehr ins Büro

Kann der Arbeitgeber von den Mitarbeitenden verlangen, dass sie ins Büro zurückkehren?
Sobald die behördlich angeordnete Homeoffice-Pflicht entfällt, kann der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitenden verlangen, dass sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Allerdings muss er zunächst alle notwendigen und zumutbaren Massnahmen ergreifen, um einen sicheren Arbeitsplatz entsprechend den gesetzlichen und behördlichen Vorschriften zu gewährleisten (vgl. nachstehend detailliert).

Wie gehe ich mit Mitarbeitenden um, die sich weigern, ins Büro zurückzukehren?
Gegen Mitarbeitende, die sich weigern, ins Büro zurückzukehren, obwohl weder sie selbst noch jemand in ihrem nahen Umfeld zu einer Risikogruppe gehört und der Arbeitgeber alle erforderlichen, angemessenen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens der Belegschaft ergriffen hat, können disziplinarische Massnahmen (z.B. Abmahnungen) ergriffen oder sogar eine Kündigung ausgesprochen werden.

Bei Mitarbeitenden, die einer Risikogruppe angehören bzw. die mit einer Person zusammenleben, die einer Risikogruppe angehört, ist im Einzelfall zu prüfen, ob die getroffenen Schutzmassnahmen tatsächlich ausreichen, um den Mitarbeitenden und seine Familie angemessen zu schützen, und ob es daher verhältnismässig ist, seine Rückkehr an den Arbeitsplatz anzuordnen und durchzusetzen. Unverhältnismässigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Arbeit ohne Einschränkungen von zu Hause aus verrichtet werden kann.

Welche Massnahmen hat der Arbeitgeber vor der Rückkehr der Mitarbeitenden ins Büro zu ergreifen?
Der Arbeitgeber hat aufgrund seiner Fürsorgepflicht geeignete Massnahmen zu ergreifen, um seine Mitarbeitenden vor einer COVID-19-Infektion zu schützen, bevor er diese anweist, ins Büro zurückzukehren. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber die Belegschaft oder deren Vertreter im Vorfeld über geplante Massnahmen im Zusammenhang mit der Rückkehr ins Büro informieren und diese dazu anhören, also auch auf ihre Vorschläge eingehen. Nebst den allgemeinen Vorschriften des Bundesamts für Gesundheit, zu deren Einhaltung Arbeitgeber verpflichtet sind (v.a. Hygiene und Abstandsvorschriften, Maskenpflicht usw.), kann der Arbeitgeber, je nach Art des Betriebs, weitere notwendige und unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen angemessene Massnahmen vorsehen, die nachfolgend betrachtet werden.

Impfung

Kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden die COVID-19-Impfung vorschreiben?
Diese Frage lässt sich nicht generell beantworten. Vielmehr müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Klar ist, dass ein Arbeitgeber nicht der gesamten Belegschaft eine Impfpflicht auferlegen kann. Eine Impfpflicht lässt sich aber unter Umständen für gewisse Mitarbeitende, welche eine besonders exponierte Tätigkeit ausüben (bspw. Intensivpflegepersonal), rechtfertigen, wenn diese zum Schutz der Mitarbeitenden und Dritter am Arbeitsplatz angezeigt ist sowie keine weniger einschneidende Massnahme zur Verfügung steht, mit der derselbe Effekt erreicht werden kann. In den meisten Fällen, insbesondere bei klassischen Büroangestellten, wird die Anordnung einer Impfpflicht seitens des Arbeitgebers jedoch nicht zulässig sein.

Können sich Mitarbeitende einer Impfpflicht widersetzen?
Mitarbeitende, die eine besonders exponierte Tätigkeit ausüben und für die folglich eine Impfpflicht angeordnet werden kann, können dennoch nicht zur Impfung gezwungen werden. Wenn möglich, muss der Arbeitgeber impfunwilligen Mitarbeitenden eine alternative Tätigkeit im Betrieb, die keine Impfung erfordert (z.B. Backoffice-Tätigkeit statt Pflege Betagter), anbieten. Ist eine alternative Beschäftigung nicht möglich, kann der Arbeitgeber dem Mitarbeitenden kündigen. Eine solche Kündigung könnte jedoch missbräuchlich sein, wenn der Arbeitgeber sich trotz Zumutbarkeit nicht ausreichend um eine alternative Beschäftigung des Mitarbeitenden bemüht hat oder wenn die Impfanordnung aufgrund der Umstände des Einzelfalls unzulässig oder unverhältnismässig war.

Kann ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden empfehlen, sich impfen zu lassen?
Ja, ein Arbeitgeber darf proaktiv über die Vor- und Nachteile der Impfung informieren und die Mitarbeitenden zu einer freiwilligen Impfung ermuntern. Arbeitgeber können ihre Belegschaft auch aktiv im Impfprozess unterstützen, indem sie etwa Impftermine organisieren oder sogar firmeneigene Impfstellen einrichten. Der Arbeitgeber sollte jedoch jegliches Verhalten unterlassen, das vom Mitarbeitenden als Druck zur Impfung interpretiert werden könnte. Dies erfordert eine gute Kommunikation und eine gewisse Sensibilität seitens des Unternehmens.

1) Bei allen Themen gilt die Annahme, dass die Pandemie noch nicht vorüber ist, also nach wie vor ein gesteigertes Schutzbedürfnis besteht. Generell können sich die Umstände aufgrund der Volatilität der Pandemieentwicklung sehr schnell verändern, was häufig auf die rechtliche Einordnung durchschlägt. Besonderheiten im Einzelfall erfordern eine separate Einschätzung der Sachlage.

Dies ist eine gekürzte Fassung. Lesen Sie den ganzen Beitrag in der aktuellen Printausgabe Juli-August von personalSCHWEIZ.

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