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Handlungsempfehlungen zur Schlichtung von Auseinandersetzungen: Konfliktmanagement am Arbeitsplatz

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses lassen sich — ähnlich einer Beziehung — Konflikte nie ganz vermeiden. Doch welche Rechte und (Handlungs-)Pflichten haben Arbeitgeber bei Konflikten am Arbeitsplatz? Dies hängt entscheidend von der Konstellation des Konflikts ab.

Von: Jeannine Dehmelt, Marc Ph. Prinz   Teilen  

Jeannine Dehmelt

Jeannine Dehmelt ist Anwältin im Arbeitsrechtsteam der Kanzlei VISCHER am Standort Zürich. Sie berät und vertritt nationale und internationale Klienten in allen Belangen des Arbeitsrechts.

Marc Ph. Prinz

Marc Ph. Prinz, LL.M., ist Leiter des Arbeitsrechtsteams der Kanzlei VISCHER. Er verfügt über langjährige Praxiserfahrung in allen Fragen des Arbeitsrechts. Er berät Arbeitgeber und Kader und vertritt diese in Gerichtsprozessen, insbesondere im Bereich Vergütung und Bonus.

Handlungsempfehlungen zur Schlichtung von Auseinandersetzungen

Pflichtverletzungen durch Mitarbeitende
Die Mitarbeitenden trifft im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nicht nur eine Arbeits-, sondern auch eine Treuepflicht (Art. 321a OR). Oftmals resultieren Konflikte am Arbeitsplatz, wenn ein Mitarbeitender seine Arbeits- und/oder seine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzt. Typische Fälle von Treuepflichtverletzungen sind beispielsweise widerrechtliches oder ungebührliches Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber, dessen Kunden oder auch Mitarbeitenden, die Herabsetzung des Ansehens des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung für Dritte und die Verletzung von Geheimhaltungspflichten.

Ist eine Pflichtverletzung gegeben/erstellt (vgl. auch nachstehend), stehen dem Arbeitgeber je nach deren Art verschiedene Handlungsmöglichkeiten offen. In der Regel ergreift der Arbeitgeber disziplinarische Massnahmen. Diese können von einer Ermahnung/einem Verweis, bei welchem es sich um eine Rüge des vertragswidrigen Verhaltens ohne weitere Konsequenzen handelt, über eine Verwarnung bis hin zu einer (fristlosen) Kündigung reichen.

Mit einer Verwarnung wird das fehlbare Verhalten des Mitarbeitenden abgemahnt und – für den Wiederholungsfall – eine Sanktion angedroht (meist eine fristlose Kündigung). Die Verwarnung und die Sanktionsandrohung haben dabei explizit und unmissverständlich sowie – aus Beweisgründungen – grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Der betreffende Mitarbeitende muss gestützt auf die Verwarnung somit klar erkennen können, welches Verhalten nicht mehr toleriert wird und welche Konsequenzen weitere (gleichartige) Verfehlungen haben.

Alternativ kann direkt eine Kündigung ausgesprochen werden. Für eine gerechtfertigte fristlose Kündigung muss das Fehlverhalten des Mitarbeitenden aber derart gravierend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (Art. 337 OR). Dies dürfte in der Regel bei Straftaten am Arbeitsplatz oder bei sehr schweren Treuepflichtverletzungen der Fall sein. Eine fristlose Kündigung ist zudem umgehend auszusprechen. Wird dies nicht beachtet, dürfte die fristlose Kündigung als ungerechtfertigt qualifizieren und zu Entschädigungsansprüchen des Mitarbeitenden führen (Schadenersatz in der Höhe des Einkommens des Mitarbeitenden während der ordentlichen Kündigungsfrist und Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen; Art. 337c OR).

Im Falle einer Verletzung der Arbeitspflicht oder einer Treuepflichtverletzung, welche zu einem Schaden führt, kann der Arbeitgeber unter Umständen alternativ den Lohn zurückbehalten oder den Schaden mit diesem verrechnen (wobei bei nicht absichtlich herbeigeführten Schäden das sog. Existenzminimum zu beachten ist; Art. 323b OR).

Konflikte zwischen Mitarbeitenden oder mit Vorgesetzten; Kündigungen in Konfliktsituationen
Am Arbeitsplatz kann es zudem sowohl zu Konflikten zwischen Mitarbeitenden als auch mit dem Vorgesetzten kommen. Das Spektrum reicht von kleineren Auseinandersetzungen bis hin zu eigentlichem Mobbing oder sog. Bossing. Gemäss Art. 328 OR ist der Arbeitgeber – gerade auch in solchen Konfliktsituationen – dazu verpflichtet, die Persönlichkeit der Mitarbeitenden zu schützen und zu deren Schutz alle notwendigen und zumutbaren Massnahmen zu treffen. Der Arbeitgeber muss somit zumindest versuchen, den Konflikt zu lösen. Entsprechende Massnahmen können (interne oder externe) Aussprachen, Schlichtungsbemühungen, ein Coaching, das Aufstellen von Verhaltensregeln/Zielvereinbarungen, das Erteilen von Weisungen, interne Versetzungen, Umstellungen der Arbeitsabläufe, Verwarnungen oder ultimativ das Aussprechen von Kündigungen sein.

Obwohl in der Schweiz grundsätzlich die sog. Kündigungsfreiheit gilt, ist bei der Aussprache von Kündigungen in einer Konfliktsituation (sog. Konfliktkündigungen) Vorsicht geboten. Gemäss der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichts qualifiziert eine Konfliktkündigung als missbräuchlich, wenn der Arbeitgeber zuvor nicht die notwendigen und zumutbaren (verhältnismässigen) Massnahmen zur Entschärfung des Konflikts ergriffen hat (zumindest sofern nicht von vornherein klar ist, dass entsprechende Massnahmen nicht zielführend sind). Infrage kommen dabei sowohl die vorgenannten disziplinarischen als auch vermittelnden Massnahmen. Welche Massnahmen zu ergreifen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls und der Natur des Konflikts ab. Die gewählten Massnahmen müssen aber auf jeden Fall dazu geeignet sein, den Konflikt zu lösen oder zumindest abzuschwächen.

Eine fristlose Kündigung ist auch bei Konflikten zwischen Mitarbeitenden untereinander oder mit Vorgesetzten nur unter den vorab genannten, strengen Voraussetzungen gerechtfertigt (was in der Praxis selten der Fall sein dürfte).

Betriebsinternes Konfliktmanagement/Interne Untersuchungen zur Sachverhaltsabklärung
Vor diesem Hintergrund sollte jedes Unternehmen über ein effizientes (Leistungs-) und insbesondere Konfliktmanagement verfügen. Es empfiehlt sich, die Leistungen und das Verhalten der Mitarbeitenden regelmässig und ehrlich zu evaluieren und zu dokumentieren. Sollten die Leistungen und/oder das Verhalten Anlass zum Ergreifen von disziplinarischen Massnahmen geben, sollten diese – ebenso wie das mit dem betreffenden Mitarbeitenden zu führende Gespräch (dringend empfohlen) – schriftlich festgehalten werden. Kommt es zu Konflikten zwischen Mitarbeitenden untereinander oder mit Vorgesetzten, hat der Arbeitgeber in einem ersten Schritt grundsätzlich die geeigneten Massnahmen zur Entschärfung des Konflikts zu ergreifen, bevor eine allfällige Kündigung ausgesprochen wird.

Unabhängig von der Konfliktkonstellation nimmt die Ab- und Aufklärung des Sachverhalts beim Konfliktmanagement zudem einen wichtigen Stellenwert ein. Arbeitgeber sehen sich daher immer häufiger veranlasst, sog. interne Untersuchungen durchzuführen. Eine solche kann von einer Befragung von Mitarbeitenden bis hin zu einer Sicherung und Sichtung von elektronischen Dateien, insbesondere von E-Mails, reichen. Dabei sind die relevanten arbeits- und datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten.

Eine interne Untersuchung sollte immer von einer unabhängigen Stelle durchgeführt werden. Bei überschaubaren und nicht das Gesamtunternehmen (insbesondere die Geschäftsleitung) betreffenden Konflikten ist dies in der Regel das HR oder die Rechtsabteilung (bei diesen Stellen sollten sich die Mitarbeitenden auch bei Verdacht auf Pflichtverletzungen oder bei Konflikten melden können).

Im Falle von Befragungen von Mitarbeitenden sind diese zwar darauf hinzuweisen, dass sie (als Ausfluss ihrer Treuepflicht) grundsätzlich verpflichtet sind, zu geschäftsbezogenen Vorfällen wahrheitsgemäss auszusagen. Ebenso sind sie aber darauf hinzuweisen, dass sie sich nicht selbst belasten müssen. Wird dies nicht gemacht, können die Einvernahmen in einem späteren Zivil- oder gar Strafverfahren (allenfalls) nicht verwendet werden.

Sollen im Rahmen einer internen Untersuchung elektronische Daten gesichert werden, gilt ferner Folgendes: Idealerweise sollte den Mitarbeitenden bereits klar sein (z.B. aufgrund interner Reglemente, Weisungen), dass der Arbeitgeber unter gewissen Umständen auf ihre geschäftlichen Daten zugreifen kann. Andernfalls sind sie vor der Untersuchung grundsätzlich entsprechend zu informieren.

Auch dies zeigt, dass Arbeitgeber gut beraten sind, wenn die internen Abläufe bei Auftreten von Konfliktsituationen klar sind und dadurch schnell und angemessen reagiert werden kann.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Septmber 2021 von personalSCHWEIZ erschienen.

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