Praxisfälle

Datenschutz im Bewerbungsprozess: Ist die Information notwendig?

Die Anstellung von neuen Mitarbeitenden ist für Unternehmen mit hohem Aufwand und Kosten verbunden. Daher möchten diese möglichst viel über eine Person wissen, schon bevor man sie zu einem ersten Gespräch einlädt. Der Beitrag zeigt, welche Informationsquellen zulässig sind und wo es datenschutzrechtlich heikel wird.

Von: Ursula Uttinger   Teilen  

Ursula Uttinger

Ursula Uttinger ist ausgebildete Juristin mit verschiedenen Nachdiplomstudien und Weiterbildungen. Sie befasst sich seit über 25 Jahren mit dem Datenschutz, war in verschiedenen Unternehmen für den Datenschutz verantwortlich, hat aber auch mehrere Jahre ein Case-Management-Unternehmen geführt und diverse Führungsfunktionen auf GL-Stufe innegehabt. Heute ist sie Dozentin an der Hochschule Luzern und als selbstständige Beraterin für Datenschutz tätig.

Datenschutz im Bewerbungsprozess

Ein Arbeitsverhältnis ist einfacher aufzulösen als eine Ehe. Doch auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen – und zwar für beide Seiten. Auch wenn die meisten Arbeitsverhältnisse mit einer Probezeit starten, in der man sich kennenlernen kann, ist der Arbeitsbeginn für die Arbeitgeberin mit Zeitaufwand und Kosten verbunden: Die neu angestellte Person muss eingeführt, interne Regelungen müssen vermittelt, der Arbeitsplatz, Mailaccount und Systeme müssen eingerichtet und Zugriffe auf Ordner und Unterlagen organisiert werden.

Aus Sicht des Unternehmens möchte man möglichst viel über eine Person wissen, schon bevor man sie zu einem ersten Gespräch einlädt. Als erste Quelle stehen die eingereichten Unterlagen zur Verfügung. Die Echtheit wird angenommen. Datenschutzrechtlich ist diese Phase noch absolut problemlos.

Datenschutzerklärung bei Onlinebewerbungen
Etwas anders ist diese Phase für Bewerbende: Kaum mehr eine Stelle, wo man sich mit Papier bewerben kann, fast überall heisst es «wir freuen uns auf Ihre Onlinebewerbung». Die Bewerbungsunterlagen müssen auf eine Plattform hochgeladen werden, wobei meist das Feld «Ich bin mit der Datenschutzerklärung einverstanden» anzukreuzen ist. Je nach Portal ist die Datenschutzerklärung leicht auffindbar oder man muss sie suchen. Gerade mit Blick auf die Revision des schweizerischen Datenschutzgesetzes ist Letzteres suboptimal. Gemäss Art. 13 revidierter Verordnung zum Datenschutzgesetz (= rev. VDSG) hat die Information in «präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form» mitgeteilt zu werden.

Die meisten Datenschutzerklärungen sind ähnlich nichtssagend und mehr «Pflichtübung», es kann sogar vorkommen, dass sich die Datenschutzerklärungen auf falsche gesetzliche Grundlagen beziehen (europäische Datenschutzgrundverordnung, d.h. DSGVO, statt schweizerisches Gesetz). Ob die DSGVO anwendbar ist, sollte kritisch hinterfragt werden und dürfte nur in Ausnahmefällen relevant sein, gilt doch grundsätzlich das Marktortprinzip.

Für Bewerbende ist das Tool eine Blackbox. Ob die Unterlagen noch von einer natürlichen Person geprüft oder komplett durch eine KI aussortiert werden, steht nirgends. Eine automatisierte Einzelentscheidung, die für eine betroffene Person mit einer Rechtsfolge oder erheblichen Beeinträchtigung verbunden ist, muss mit Inkrafttreten des revidierten Schweizer Datenschutzgesetzes per 1. September 2023 ausdrücklich kommuniziert werden. Ob eine solche Kommunikation erfolgen wird oder sämtliche Unterlagen, wenn auch nur pro forma, zusätzlich von einer natürlichen Person «geprüft» werden, wird sich zeigen.

Bewerbende zu «googeln», ist erlaubt
Für Bewerbende ist also bereits die Phase der Vorauswahl meist intransparent. Entweder erhalten sie eine Einladung oder eine Absage. Arbeitgebende prüfen nun die eingereichten Unterlagen vertiefter, und es kann vorkommen, dass die Bewerbenden noch kurz «gegoogelt» werden. Dies ist inzwischen breit akzeptiert auch aus Sicht des Datenschutzes, sofern nicht Daten aus einem geschlossenen Kreis beigezogen werden. Gegoogelte Informationen sind mit Vorsicht zu geniessen, diese anlässlich eines Gesprächs zu thematisieren, ist oft ein Mehrwert. Zusätzlich erfährt die betroffene Person auch, dass die Arbeitgeberin weitere Daten bearbeitet hat.

Bei Personen in der engeren Auswahl dürfen dann, im Sinne der datenschutzrechtlichen Verhältnismässigkeit, weitere Daten recherchiert und bearbeitet werden. Zu berücksichtigen ist dabei, um welche Art Stelle es sich handelt. Grundsätzlich einen Strafregister- und Betreibungsauszug zu verlangen, ist keinesfalls gerechtfertigt. Arbeitgebende finden oft Argumente, warum sie solche Auszüge benötigen, und gerade der Staat handelt hier selten vorbildlich. So müssen Reinigungsdienste meist für alle eingesetzten Personen einen Strafregisterauszug vorweisen, unabhängig davon, ob der Einsatzort dies rechtfertigt. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass unser Strafsystem auf dem Gedanken der Resozialisierung beruht, wozu auch eine berufliche Wiedereingliederung gehört.

Strafregister: Privatauszug oder Sonderprivatauszug?
Bei Strafregisterauszügen sollte unterschieden werden zwischen einem Privatauszug, der sämtliche nicht gelöschten Verbrechen und Vergehen beinhaltet, und dem Sonderprivatauszug. Letzterer gibt Auskunft über Urteile, die ein Berufs-, Tätigkeits- oder Kontakt- und Rayonverbot enthalten, welche zum Schutze von Minderjährigen, anderen besonders schutzbedürftigen Personen oder Patientinnen und Patienten im Gesundheitsbereich ausgesprochen wurden. Der Sonderprivatauszug hat den Vorteil, dass Bewerbende nicht ihr ganzes strafrechtliches Vorleben offenlegen müssen, andererseits sind die Urteile länger sichtbar als im Privatauszug, in welchem die Urteile nach 2/3 der für die Entfernung massgeblichen Frist entfernt werden.

Unbestritten ist für Lehrpersonen, für Personen, die mit Jugendlichen in Kontakt kommen etc., grundsätzlich ein solcher Sonderprivatauszug sinnvoll. Ob aber tatsächlich, wie erst kürzlich im grossen Rat des Kt. AG entschieden, Lehrpersonen sowohl einen Privatauszug als auch einen Sonderprivatauszug beibringen müssen, ist im Sinne der Verhältnismässigkeit zu prüfen.

Für gewisse Berufe und Tätigkeiten genügt nicht einmal der Strafregisterauszug, hier ist sogar eine Personensicherheitsüberprüfung periodisch notwendig. Eine solche Personensicherheitsüberprüfung ist beispielsweise bei Mitarbeitenden der nationalen Netzgesellschaft (= Swissgrid) (Art. 20a Stromversorgungsgesetz) oder bei einer Kernanalage (Art. 23 Verordnung über die Anforderung an das Personal von Kernanlagen) notwendig. Bei Spielbanken müssen sowohl die Geschäftsleitungsmitglieder, wirtschaftlich Berechtigte wie auch die wichtigsten Geschäftspartner über einen guten Ruf verfügen (Art. 8 Geldspielverordnung) und einen Strafregisterauszug plus Nachweis, dass keine Sperre gemäss Art. 86 Abs. 3 Geldspielgesetz besteht, einreichen.

Solche Personensicherheitsüberprüfungen werden regelmässig durch spezialisierte Unternehmen oder den Bund selbst durchgeführt. Dies hat sowohl den Vorteil, dass die Überprüfung professionell und mit entsprechender Erfahrung gemacht wird, andererseits auch, dass nur die für die Tätigkeit relevanten Informationen an die potenzielle Arbeitgeberin weitergeleitet werden. Für den Persönlichkeitsschutz wäre es zu begrüssen, dass grundsätzlich Informationen aus dem Strafregister – sei es Privat– oder Sonderprivatauszug – durch unabhängige Dritte geprüft würden. Nicht relevante Straftaten – und das kann je nachdem ein Strassenverkehrsdelikt aus Unachtsamkeit sein – dürften in den wenigsten Fällen ein Hindernis für eine Anstellung sein, das Wissen davon bleibt in den Köpfen.

Bei anderen Tätigkeiten kann ein Nachweis über die Gesundheit notwendig sein, z.B. bei Pilot*innen oder Kranführer*innen, wobei auch hier die Verhältnismässigkeit gegeben ist.

Aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten stellt sich die Frage, ob nicht sämtliche Diplome und Arbeitszeugnisse auf Echtheit geprüft werden müssten. Je wichtiger und entscheidender für die Anstellung insbesondere ein Ausbildungsnachweis oder ein Diplom ist, desto empfehlenswerter ist eine Überprüfung. Der Aussagegehalt von Arbeitszeugnissen ist mit Vorsicht zu bewerten: Viele Arbeitszeugnisse werden wider besseres Wissen unterzeichnet, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden.

Werden diverse Informationen gesammelt, so ist ein Augenmerk auf die sachgerechte Aufbewahrung und Löschung zu richten: Die Daten sind so aufzubewahren, dass der Kreis der Zugriffsberechtigten sehr klein gehalten ist, eine Löschung möglichst bald und korrekt erfolgt: Papier, sofern die Daten nicht nur elektronisch existieren, gehört nicht ins Altpapier oder den normalen Abfall. Bei elektronischen Daten ist sicherzustellen, dass die Daten gelöscht beziehungsweise nicht leicht wiederherzustellen sind.

Fazit
Das Bedürfnis nach Sicherheit, zu wissen, wen man genau anstellt, führt dazu, dass möglichst viele Informationen über Stellenanwärter*innen besorgt werden. Solange die gesammelten Informationen notwendig für die Stelle sind, kann es verhältnismässig sein. Die Begründung, warum man dies braucht, sollte aber auch für Dritte nachvollziehbar sein – Neugier ist kein Grund. Viele Daten bedeuten auch Verantwortung. So muss etwa die Datensicherheit gewährleistet und die Daten müssen tatsächlich korrekt sein. Deshalb sollte jede Datenbearbeitung infrage gestellt werden.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe November 2022 von personalSCHWEIZ erschienen.

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