Experten-Interviews

Juni 4/2017

Tradition/Innovation: Die Balance ist zentral

Das Familienunternehmen Ricola mit Sitz in Laufen beschleunigt seinen Wandel vom Schweizer Export-Vorzeigekind zur global und virtuell vernetzten Consumer Brand. Mit René Schori, Global HR Director, haben wir über den Balanceakt zwischen Tradition und Innovation gesprochen.

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Kevin Hofer

 

Kevin Hofer war Chefredaktor des HR-Magazins personalSCHWEIZ.

Tradition/Innovation

personalSCHWEIZ: Herr Schori, was sind die Besonderheiten im HR bei Ricola?

René Schori: Unsere HR-Arbeit ist sowohl geprägt von den Werten der Besitzerfamilie als auch von der Dynamik eines innovativen, global immer stärker vernetzten Arbeitgebers. Die Familienwerte ziehen sich wie ein roter Faden durch unsere Unternehmenskultur: Respekt, ein wertschätzender Umgang untereinander gepaart mit Leistungsbereitschaft – und auch Beständigkeit gepaart mit Fortschritt. Die Balance ist zentral. Gleichzeitig will Ricola auch neue Ideen, Visionen und Strategien entwickeln und die Mitarbeitenden in diesen Prozess einbinden. Uns kommt zugute, dass bei Ricola die Entscheidungsträger der Besitzerfamilie nahe beim HR sind: Der Zugang ist direkt, was wichtige Entscheidungsprozesse beschleunigt.

Wie packen Sie die Mitarbeitenden?

Indem wir sie früh einbeziehen und ihre Standpunkte berücksichtigen. Unsere Führungskräfte und Mitarbeitenden sind offen für Veränderungen, was sehr positiv ist. Gleichzeitig legen wir grossen Wert auf eine direkte Feedbackkultur. Diese Nähe zu den Mitarbeitenden hilft uns zu verstehen, was sie beschäftigt. Dadurch brüten wir vielleicht manchmal länger über Veränderungen, aber durch eine umso stärkere Identifikation der Mitarbeitenden und die breite Abstützung wird das mehr als aufgewogen.

«Die Familienwerte ziehen sich wie ein roter Faden durch unsere Unternehmenskultur: Respekt, ein wertschätzender Umgang unter­einander gepaart mit Leistungsbereitschaft – und auch Beständigkeit gepaart mit Fortschritt.»

Bleiben wir bei den Mitarbeitenden. Welchen Stellenwert haben sie in Zeiten des Wandels?

Die Mitarbeitenden spielen eine zentrale Rolle, und zwar auf allen Stufen und in sämtlichen Unternehmensbereichen. Über 90 Prozent unserer Produkte werden exportiert, und unsere globale Präsenz nimmt stetig zu. Folglich müssen wir uns mit immer mehr und differenzierteren Ansprüchen von Ländergesellschaften, Partnern, Konsumenten, rechtlichen Rahmenbedingungen etc. auseinandersetzen. Qualität, Motivation und Entwicklung der Belegschaft sind daher kritische Erfolgsfaktoren, um diese zunehmende Komplexität zu meistern. Unsere Aufgabe ist es, die Mitarbeitenden für dieses globale Geschäft fit zu machen und sie zu unterstützen, wo wir können. Sei es in der beruflichen und persönlichen Weiterbildung, beim Lernen von Sprachen und vor allem auch in der Führungsentwicklung.

Vor was für Herausforderungen stellt Sie das Talent Management?

Unsere Erfahrung ist, dass unsere Mitarbeitenden sehr motiviert sind, sich weiterzubilden, und dies als Chance ansehen. Wir investieren grundsätzlich in alle Mitarbeitenden, die sagen «Ja, ich will!». Zudem identifizieren wir in sogenannten Personal- und Nachfolgerunden zusammen mit der Linie «Fast Tracker», Mitarbeitende, die mit besonderen Programmen und Projekten schneller und intensiver gefördert werden, damit sie rasch bereit für Schlüsselfunktionen sind. Herausforderungen ergeben sich manchmal darin, die dafür notwendigen Freiräume zu schaffen. Beispielsweise kommen alle Angestellten mit Führungs- oder Projektleitungsfunktion in den Genuss eines Leadership-Programms, das insgesamt vier Tage dauert und hierarchisch sowie funktional gemischt ist. Es ist nicht immer einfach für unsere Führungskräfte, sich für diese Zeit aus ihrem Tagesgeschäft herauszunehmen. Gleichzeitig lernen sie dabei aber, dass man Verantwortung durchaus delegieren kann und dass ihre Organisationen für diese Zeit auch gut ohne sie funktionieren. Der Begriff «Empowerment» – auch wenn bereits etwas verbraucht – ist für die Bewältigung von Komplexität von zentraler Bedeutung.

Talent Management spielt bei der Rekrutierung von Fachkräften eine grosse Rolle. Welche Massnahmen treffen Sie sonst noch, um an qualifiziertes Personal zu kommen?

Ricola hat einen sehr guten Ruf, was sich auch auf unsere Reputation als Arbeitgeberin auswirkt. Die Marke macht uns attraktiv, und wir können Stellen grösstenteils rasch besetzen. Darauf möchten wir uns aber nicht ausruhen. Früher kamen die meisten Arbeitnehmenden aus der Umgebung. Als internationales Unternehmen benötigen wir heute vermehrt auch Fachkräfte mit sehr spezifischen Qualifikationen und Kompetenzen. Diese kommen auch aus anderen Teilen der Schweiz oder dem Ausland. Laufen ist zwar sehr schön, aber nicht gerade zentral gelegen, was bei der Suche von Spezialisten nicht immer förderlich ist. Wir sehen darin aber auch eine Chance, denn die Rekrutierung wird so zur Führungsfrage. Wie können wir gefragte Talente an Bord holen, die einen Arbeitsweg von anderthalb Stunden oder länger haben? Zum Beispiel, indem wir flexible Arbeitsmodelle oder auch Mobile Working anbieten. Wie führen wir dezentrale Teams? Das fordert uns und fördert innovatives Denken auch in Bezug auf das HR. Deshalb bin ich auch froh um den Standort. Neue Mitarbeitende lernen den Standort zudem rasch schätzen, denn er ist auch geprägt von kurzen Wegen zwischen den einzelnen Unternehmenseinheiten und -standorten, der Nähe zur Natur und zu unseren Kräutern sowie generell von positiven Eigenschaften, die oft einem ländlichen Umfeld zugeschrieben werden. Dazu zählen Gelassenheit, ein ausgewogener Lebensrhythmus und gesunder Menschenverstand.

«Ricola ist eine Traditionsfirma, die ihre Arbeitswelt der Zukunft stetig, aber mit einer nachhaltigen Vision weiterentwickelt.»

Die erwähnten Massnahmen flexible Arbeitszeitmodelle und Mobile Working gehen auch in die Thematik Familienfreundlichkeit. Was tun Sie hier?

Teilzeit und Jobsharing sowie eigentlich alle modernen Arbeitsformen sind bei uns inzwischen gut etabliert, wobei wir auch hier nicht über Nacht eine Veränderung forciert haben. Ricola ist eine Traditionsfirma, die ihre Arbeitswelt der Zukunft stetig, aber mit einer nachhaltigen Vision weiterentwickelt. Auch die Vielseitigkeit in der Belegschaft ist uns ein Anliegen, die Besitzerfamilie fördert dies aus dem Verwaltungsrat heraus mit. Vielfältig zusammengesetzte Teams sind innovativer. Dabei legen wir den Blick nicht nur auf Geschlecht, Herkunft, Sprache oder Alter. Wir achten bei der Zusammensetzung von Teams auch darauf, Mitarbeitende zusammenzubringen, die unterschiedlich lange bei Ricola arbeiten. So profitieren wir vom frischen Input neuer Mitarbeitenden, während die langjährigen Mitarbeitenden sicherstellen, dass die Ricola-Werte und -Kultur weitergetragen werden.

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